Das Gras war auch schon grüner

Heute kämpfen Die Fantastischen Vier gegen Schreibblockaden und Altersstarrsinn. Und werden auf der eigenen Platte von Sabrina Setlur gedisst!

Vielleicht hat ja ein kleines rotes Telefon geklingelt, in Stuttgart, Hamburg, Berlin und in der Eifel. Dann wurden eventuell vier Hörer abgehoben, und eine Stimme sagte grimmig entschlossen: „Wir müssen die Band wieder zusammenbringen.“ Das war Anfang 2002 „4:99“, das letzte Studioalbum der Fantastischen Vier, war knapp drei Jahre alt, Zeit für einen Nachfolger. Nicht, dass die Pioniere des Deutsch-Rap zwischendurch aus den Medien verschwunden gewesen wären und den Schaffensdrang nicht in Soloprojekte geleitet hätten. Trotzdem: „Wir müssen die Band wieder zusammenbringen“ – eine Mischung aus Drohung und Versuchung.

Ende November 2002 war es soweit, ein erstes Trainingslager stand an, in einer abgelegenen Hütte im Bregenzer Wald. „Wir haben uns gezielter Langeweile ausgesetzt, um uns so zu synchronisieren“, sagt Smudo, und als könne er Gedanken lesen: „Das klingt, als wären wir auseinander gewesen. Aber das stimmt nicht. Wir haben bloß schon länger keine Musik mehr zusammen gemacht.“ Das haben sie auch in Vorarlberg erstmal nicht getan. Unverblümt: Die Fantastischen Vier hatten eine Schreibhemmung.

„Das ist ja ein Klassiker: Natürlich haben wir alle Schiss, ein uncooles Album zu machen“, sagt Smudo. Thomas wird konkreter: „Die Erwartungen nach einer Single wie ‚MfG‘ sind enorm. Wie willst du das toppen? Und wenn wir’s nicht toppen – sollen wir dann überhaupt noch eine Platte machen?“

Anfang August 2004 ist das mit so großen Hoffnungen beladene Album noch immer nicht ganz fertig, obwohl „Viel“ nur knapp zwei Monate später in den Läden stehen wird. Es ist deutlich spürbar, dass die Band ihre Selbstzweifel inzwischen abgelegt hat: „Der Titel ist chinesisch für Vier“, grölt Smudo gutgelaunt, und während sich Andi (der letzte echte Stuttgarter der Band) auf den Weg ins anderes Studio macht, präsentieren die restlichen Drei auf ihren Notebooks das, was schon vorzeigbar ist, wie eine unrenovierte Wohnung: „Also, das ist jetzt nur ein ganz roher Roh-Mix~ dazu muss man sich dann noch Bläser vorstellen…“ Eine Enttäuschung scheint „Viel“ nicht zu werden – „Jede Generation“, mit elektronischen Bleeps und Klonks, und das vertrackte „Pipis & Popos“ zeigen den Fortschritt, auch wenn es sich Thomas D. nicht nehmen ließ, mit „Mein Schwert“ – das intern „Mein Schwanz“ genannt wird den dritten Teil seiner „Krieger“-Trilogie abzuliefern.

Ein Höhepunkt ist „Bring It Back“: die Story von vier altgewordenen Rappern, die sich nichts sehnlicher wünschen, als auf der Straße erkannt zu werden. Peinlich bis zur Selbstaufgabe betteln die Alter Egos der Fantastischen Vier um Einlass in eine Disco, und es wird regelrecht großartig, als dann unvermittelt Sabrina Setlur auftaucht: „Schaut euch mal um, ihr Loser, das is’n HipHop-Laden / Kommt wieder, wenn wir zu ham – Mittwoch abend“. Die Anfeindungen der Rödelheimer in den Neunzigern hätten sie nie allzu persönlich genommen, meint Smudo. „Und als Sabrina auf ihrem ‚Sabs‘-Album sagte: ‚Mei Klitt schmeckt echt leckä, fragt Boris Beckä‘, konnten wir nicht widerstehen. Wer so rappt, hat unseren Humor“, erklärt er den cleveren Einfall, jemanden anzuheuern, um sich auf dem eigenen Album dissen zu lassen.

Das Video zu „Troy“ zeigt die Vier sogar als Grandseigneurs des HipHop: Je mehr Songs man geschrieben hat, umso schwieriger wird es“, sagt Smudo. „Als wir ’93 bekifft im Jugendzimmer saßen, konnten wir einfach mehr Direktes fließen lassen. Heute, mit all der Erfahrung und Fähigkeit zur Reflexion, ist es schwieriger geworden“. Thomas fallt ihm ins Wort: „Man kann die zwei Jahre, die wir für ‚Viel‘ gebraucht haben, auch so erklären: Wir sind einfach total faule Säcke.“

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