Dub-Reggae-Label Blood & Fire kümmert sich um Unterstützung

Das kleine britische Dub-Reggae-Label Blood & Fire kümmert sich mit der Unterstützung des Simply Red-Apparates um das jamaikanische Musik-Schaffen.

Reggae war nie tot. Gerade in der Zeit nach Bob Marleys Ableben, als die schreibende Zunft der jamaikanischen Musik die Ausdünnung vorhersagte, entwickelte sich der Reggae-Markt zu einem rasanten Spekulanten- und Sammler-Forum, wo Raritäten zu immer höheren Preisen die Besitzer wechselten. Nach einigen dieser gesuchten Alben braucht man seit ein paar Jahren nicht mehr vergeblich Ausschau halten. Firmen wie das in Manchester beheimatete Blood üL Fire-Label versorgen mittlerweile mit exquisiten Editionen eine Klientel, die parallel zum aktuellen Geschehen mit ihrem Kauf verhalten die Aufarbeitung der jamaikanischen Geschichte voran treibt. Dieser Revival-Reggae-Markt erweist sich bei genauer Betrachtung als ebenso vital und zeitnah wie die Dancehall- und Ragga-Posse modernen Datums. Die Artwork der Blood 8C Fire-Produkte spiegelt denn auch mit seinen mystischen Zeichen, den spirituellen Symbolen der einzelnen Künstler und den Insignien von Handwerkskunst am besten die Intention des Labels wieder, historische Aufnahmen in ihrem Bezug zur Gegenwart zu sehen. Die aktuelle Maxi-Auskopplung „Congoman“ des Vokal-Trios The Congos hat perspektivisch – im Zuge der auf Jamaika wieder populär gewordenen conscious lyrics – gute Chancen, die Sommer-Hymne dieses Jahres zu werden. Von der Cover-Gestaltung bis zum Sound wird Wert auf Qualität gelegt. In den teuren Abbey-Road-Studios werden die Original-Bänder restauriert und das Soundbild auf den neuesten Stand gebracht. Mit dem kompletten Simply Red-Management als Eigner besitzt das Label natürlich genügend Finanzkraft, um den hohen Standard halten zu können. Die musikalische Auswahl obliegt Steve Barrow, der mit seinen Trojan-Sampler-Reihen und der von ihm für Island Records zusammengestellten 4-CD-Box “ Tougher Than Tough -The Story Ofjamaican Music“ Berühmtheit erlangte. Barrow versah als erster seine Kompilationen mit ausführlichen Hintergrund-Informationen, führte die beteiligten Musiker, das maßgebliche Studio, Produzenten und ihre Tbntechniker auf, erklärte die Eigenarten von Songs, machte Version-Angaben und zog geschichdiche Querverweise – eine Tradition, die er auf allen Blood 8i Fire-Ausgaben fortführt. Wenn erfolgreiche Simply Red-Manager wie Andy Dodd und Eliot Rashman zusammen mit Product-Manager Bob Harding, der in den 70er Jahren bei Alberto Y Los Trios Paranoias (wer kennt die noch?) mitwirkte, ein Revival-Reggae-Label starten, muß mehr hinter der Fassade stecken als die augenscheinliche Begeisterung für die Siebziger-Roots & Culture. Die mit der langjährigen Business-Erfahrung erworbenen guten Kontakte erleichtern heute den Vertrieb der kleinen Kunstwerke. Von der limitierten Doppel-CD ,Jieart Of The Congos“ – ein plakatives Beispiel für zeitlosen Roots-Reggae mit Falsett-, Tenor- und Bariton-Stimmen, das von Lee Perry in seinem legendären „Black Art“-Studk) mit eigentümlichen Sound-Effekten unterlegt wurde – sind in erster Auflage mit 36seitigem Booklet weltweit nur 10 000 Stück erschienen, von denen 9000 bereits im Vorverkauf in England blieben, oder nach Japan, Holland und in die USA gingen. Für den hiesigen Importeur und Vertreiber Indigo bleiben da nur noch ein paar Hundert Exemplare zum Aussenden übrig. Das sind heutzutage Absatzmengen, die manch andere Plattenfirma gern hätte. Den Namen des Labels hat Barrow einem alten Song von Winston“Niney The Observer“ Holness entliehen, den er früher bereits für eine Trqjan-Kompüation verwendete. Heute ist der Name Programm. Blut und Feuer sind Synonyme für den Entstehungsprozeß und die Lebensgeister des Reggae, die in der Handvoll Alben des Labels fortbestehen. Die Liste der Künstler auf Blood 8C Fire liest sich wie das „Who’s Who“ des Reggae* von denen ein Teil an Krebs gestorben oder auf Jamaika erschossen – nicht mehr unter den Lebenden weilt Eine Tatsache, diesich einige halbseidene Labels zunutze machen, wahlweise in den Schatzkammern des Interpreten zu plündern, ohne Tantiemen abzurechnen. Diese Situation gibt Blood & Fire die Möglichkeit, mit korrekten Verträgen und Abrechnungen an die Original-Aufnahmen heranzukommen, Türen auf Jamaika zu öffnen, die anderen verschlossen bleiben. Mit ausgeklügelter Marketing-Strategie und einer Veröflendichungspolitik, die Zuverlässigkeit verspricht, versucht das englische Label potentielle Kunden direkt an sich zu binden. Ein Abonnenten-Service, der aufJahresbeitragsbasis funktioniert, garantiert die Lieferung jedes neuen Releases frei Haus. Neuerscheinungen werden für alle zwei Monate in Aussicht gestellt. Für Eliot Rashman ist dies eine unerläßliche Form, Glaubwürdigkeit am Markt zu erlangen: „Wir wollen möglichst viele Menschen gewinnen, nicht nur Spezialisten. Jedenfalls haben wir zuviel Geld ausgegeben, um das Label nur als Hobby btreiben zu können.“ Es ist eher eine Art musikalischer Archäologie, wenn Blood äC Fire für Liebhaber jetzt wieder die Innovationen von Studio-Bastlern wie King Tubby – dem Erfinder des Dub – Tappa Zukie, Yabby U und Keith Hudson freilegt, die Spuren der Dancehall- und Ragga-Artisten bei den Toastern in den 70er Jahren findet, als man noch ein Motorrad ins Studio schob, um authentische Startgeräusche zu erzeugen. Auch das könnte in den Zeiten der überbordenden Virtualität wieder attraktiv werden. J3

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