Das Leben eine Gitarre

Seit fast vier Jahrzehnten gilt Leo Kottke als eigenwillige Legende - dank verschmähter Liebe

Er sieht zwar aus wie ein Bankbeamter aus Missouri, ist aber einer der legendärsten Gitarristen unserer Zeit und seit 38 Jahren on the road. Vor 25 Jahren behauptete Leo Kottke in einem seiner Hits, eine gewisse Pamela Brown aus seiner Geburtsstadt Athens sei dafür verantwortlich. Sie, die wohlerzogene Tochter aus gutem Haus, habe ihn abgewiesen. Da sei er halt Musiker geworden.

Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, wie bei allen Histörchen bezüglich Kottkes Karriere. Der Zweijährige konnte angeblich nur bei Strawinskys „Petruschka“ einschlafen und bestand als Vierjähriger auf Violinunterricht Als er den Druck der Violine auf sein Schlüsselbein als zu schmerzhaft empfand, verlangte er in Posaune unterrichtet zu werden. Aber nach einem Konzert des Spike Jones Orchesters beschloss der Achtjährige sofort: Gitarre, das ist es!

„Ich war ab Kind ein unglaublicher Snob“, brummelt Leo vernügt Er sieht jünger aus als gut 55. Seit damals, so sagt er, habe es keinen Tag gegeben, an dem er nicht Gitarre gespielt hat. Selbst als er Mitte der 80er Jahre wegen einer beidhändigen Sehenentzündung eigentlich hätte pausieren müssen, habe er gespielt „Da waren schon Tickets verkauft. Ich kann ja schlecht auf die Bühne gehen und sagen: ,Guten Abend, tut mir leid, dass Sie gekommen sind. Ich spiele heute nur zehn Minuten, und es dürfte furchtbar werden.‘ Das hat Son House auch nicht getan. Ich war bei seinem letzten Konzert, und da bekam er mitten im Programm einen Herzinfarkt und ließ seine Gitarre fallen. Er hätte ja sagen können: ,Sorry, Leute, ich ziehe mich jetzt zurück, um zu sterben.‘ Aber er stand da, hob beide Arme in die Luft, wiegte sich hin und her und improvisierte einen letzten Song. Vor ihm kniete sein weinender Manager. Es war schier unglaublich.“ Leo Kottke hat das absolute Gehör, aber einen bemerkenswerten Hörschaden. Ein Silvesterknaller ist für das rechte, Kanonensalven bei der Marine sind für das linke defekte Ohr verantwortlich. Aber auch diesbezüglich bleibt er gelassen: „Ich habe mich mit dem ständigen Ohrensausen arrangiert-“ Ans Aufhören denkt er nie. Als jemand nach einem Gig zu Kottke sagte, „Ich würde mein Leben dafür geben, als Musiker um die Welt zu reisen“, anwortete er: „Das tue ich tagtäglich.“ Und Pamela? „Sie wurde Anwältin, stürzte in Thailand von einer Palme, brach sich alle Rippen und ist seither verschwunden. Heute ist sie ein Song.“

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