Das Rätsel von Roland

Unsichere Herkunft, nonchalante Musik: Voltaire klingen nur halb so wie Coldplay

Man hätte das Ganze „Djeddikar“ nennen können, „Frauenberger“ oder, noch besser, „Schlechtriemen“. Dann aber doch eine gute Idee, die Band nicht nach dem Pianisten, dem Bassisten oder dem Schlagzeuger zu benennen, sondern nach ihrem Sänger. Der heißt Roland Meyer de Voltaire und schreibt Musik, die so wie sein Nachname klingt: nicht sofort zu packen, leicht pathetisch, gerne geheimnisvoll. Auch die Gründungsgeschichte der Band liest sich so – und weitaus interessanter als der übliche Wir-haben-schon-seit-der-Schulzeit-zusammen-in-der-Garage-musiziert-Topos: Meyer de Voltaire trat mit dem studierten Konzertpianisten Hedayet Djeddikar auf klassischen Liederabenden auf, eine rein zufällige Begegnung im Zug brachte Gitarrist Marian Menge zur Band, irgendwo wurde Bassist Rudolf Frauenberger aufgelesen, schließlich Schlagzeuger David Schlechtriemen, der (wieder so ein Voltaire’scher Schnörkel) sein Instrument als I7jähriger Ausreißer bei einem weißrussischen Guru in Amsterdam erlernt hatte. Roland Meyer de Voltaire steuert dann noch einen ohne eigene Schuld verarmten aserbaidschanischen Musikprofessor aus Baku bei, der ihm Klavierunterricht gab, während er als deutscher Diplomatensohn in Moskau aufwuchs (wahlweise auch eine strenge russische Klavierlehrerin, die natürlich jeden falschen Ton mit Haue bestrafte).

Seit drei Jahren spielen die fünf Musiker aus Bonn in der aktuellen Besetzung zusammen, zuletzt als Support von I Am Kloot, Madsen und Juli. Zumindest die beiden letzten Namen überraschen, denn Voltaires Debütalbum „Heute ist jeder Tag“ wirkt wie ein unbedingter Gegenentwurf zur zuletzt so erfolgreichen neuen deutschen Gebrauchsmusik, diesen mitnehmfertigen Melodien und Texten zur schnellen Identifikation.

„Ich lasse bei meinen Texten gerne etwas in der Schwebe, um den Zauber in der Musik zu halten“, sagt Roland Meyer de Voltaire, „dazu kann man meinetwegen auch Mystik sagen.“ Gemeint sind Zeilen wie „War das nicht auch viel zu schön, um überhaupt in einer Dimension als leiser Traum zu existieren?“

oder „Ich habe Leben, ich habe Licht, mit der Glut fliegt es von hier“. „Uns geht es mehr darum, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, als darum, allgemeine Lebensweisheiten zu formulieren“, sagt Gitarrist Marian Menge. Also statt nachvollziehbarer Alltagsbeschreibung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner lieber die etwas überdimensionierte große Geste? „Oder auch die ganz kleine.“

„Ich erzähle lieber Stimmungen als Geschichten“, sagt Roland Meyer de Voltaire, „ich bin nicht der Mensch, der anderen ihre Fragen beantworten will.“ „Heute ist jeder Tag“ wirkt dann auch wie eine Art Gefühlsenzyklopädie: jedes Lied eine andere emotionale Facette, „ein kleiner Moment, auf sechs Minuten ausgedehnt“, sagt Marian Menge.

Und so wie Roland Meyer de Voltaire keine Texte schreibt, die man gleich mit nach Hause nehmen kann, so singt er sie auch mit einer Stimme, die nicht sofort treuherzig mit jedem mitgeht. Wegen des gelegentlichen Wechsels in die Kopfstimme sind Vergleiche mit Muse und Radiohead bereits notorisch (obwohl die Musik, namentlich die Pianoelegien, eher an Coldplay erinnern). „Ich weiß, meine Kopfstimme macht manchen Leuten Probleme, aber ich find das auch völlig legitim“, sagt Roland Meyer de Voltaire mit derselben nonchalanten Sprödigkeit, die die Musik seiner Band so speziell macht. „Ich erwarte ja auch nicht von jedem Menschen, daß er meine Stimme mag.“

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