David Svlvian

Der ehemalige Japan-Sänger über musikalische Entwicklungen und Offenbarungen seiner Solojahre

Es gibt immer noch Menschen, die bei dem Namen David Sylvian an Japan denken, obwohl er 24 war, als sich seine erste Band im Jahr 1982 auflöste. Seitdem sucht der Brite Herausforderungen, hat mit Jazz, Ambient, elektronischer Musik experimentiert, Projekte mit Holger Czukay, Ryuichi Sakamoto oder Robert Fripp realisiert. Auf seinem neuen Album „Manafon“ bewegt er sich weiter in die Richtung, die er bereits mit „Blemish“ (2003) eingeschlagen hat, lässt karge Klangbilder auf düstere Erzählungen treffen. Als moderne Kammermusik bezeichnet Sylvian die Stücke, die er mit Improvisationsmusikern wie Evan Parker, Keith Rowe, Christian Fennesz, Sachiko M oder Otomo Yoshihide in Wien, Tokio und London aufgenommen hat.

Mr. Sylvian, reisen Sie eigentlich gerne?

Nicht mehr ganz so gerne wie früher. Irgendwie finde ich es heute nicht mehr so abenteuerlich. Das Beste am Reisen ist inzwischen, dass ich es gemeinsam mit meinen Kindern machen und die Welt durch ihren Enthusiasmus noch einmal neu erleben kann.

Wenn Sie jetzt in „Small Metal Gods“ sagen „It’s the farthest place I’ve ever been/It’s a new frontier for me“, geht es also nicht wirklich um Fernreisen…

Nein, ich versuche da eher einen emotionalen, psychologischen, metaphysischen Zustand zu beschreiben. Es geht um das Gefühl, sich sehr weit von sich selbst fortbewegt zu haben.

Beschreiben diese Zeilen auch ihre künstlerische Entwicklung?Schließlich wagen Sie sich mit den improvisierten Soundarchitekturen auf „Manafon“ weit vor.

Es war zwar nicht meine Absicht, das auszusagen, als ich den Text geschrieben habe. Aber nachdem diese Zeilen das Album eröffnen, liegt diese Sichtweise natürlich nahe. Ich denke „Manafon“, aber auch schon der Vorgänger „Blemish“ sind Projekte, die neues Terrain erkunden.

Inwiefern?

Einfach alles war eine Herausforderung. Ich wusste nicht, was passieren wird, wenn ich mich in einem Raum mit lauter Improvisationsmusikern befinde, ohne mich selbst musikalisch als Mitspieler zu beteiligen, sondern nur als Regisseur. Ich hatte keine Ahnung, ob das funktionieren würde. Und auch der Schreibprozess war an sich eine Sache der Unmöglichkeit: Dieser sich zwischen Ginsberg und Zen-Buddhismus versuchende Ansatz, einfach alles niederzuschreiben, das einem einfällt, ohne sich die Zeit zu nehmen, etwas zu überprüfen oder zu analysieren, hätte auch schiefgehen können.

Das müssen Sie aber ein bisschen erläutern.

Die ersten Sessions fur“Manofon“ fanden 2004 in Wien statt. Ich habe sieben Tage lang mit Christian Fennesz, Keith Rowe und einigen anderen Musikern aufgenommen. Ein Jahr später habe ich das Material zum ersten Mal gehört und sofort angefangen, Songs dazu zu schreiben, so eine Art autornatic writing. Nach ein paar Stunden waren Texte und Melodien fertig. Es war also in gewisser Weise auch eine Art von Improvisation für mich selbst, die mit den ursprünglichen Improvisationen korrespondiert. Und so habe ich auch später in Tokio und London gearbeitet.

Und wie haben Sie sich im Studio verhalten?

Mir ging es um den Dialog zwischen den Musikern. Ich habe Anweisungen gegeben, habe immer wieder verschiedene Leute rein und raus gebracht. Ich war eher ein Versuchsleiter. Die Stücke auf „Manofon“ sind Gruppenkompositionen, folgen aber stets meiner Vision. Ich stelle mir das ein bisschen wie bei einem Theatermonolog vor: Es gibt einen zentralen Erzähler auf der Bühne, und jede Veränderung, etwa die Korrektur der Beleuchtung von Rot und Blau, gibt dem, was er sagt, eine andere Bedeutung.

Ist der Punkt, an dem Sie jetzt künstlerisch stehen, das Ergebnis einer konsequenten Entwicklung, die mit der Band Japan angefangen hat?

Ich glaube, dass es in meinem Leben immer wieder etwas gab, das man als Epiphanie, als Offenbarung bezeichnen kann. Eine gab es 1983 nach dem Ende von Japan. Ich musste mich neu besinnen, was ich als Musiker, als Songwriter eigentlich will. Mein Ausgangspunkt wurde dann „Ghosts“, eines der letzten Stücke, das ich für Japan geschrieben hatte. Weil ich fand, dass ich da als Songwriter auch durch die emotionale Qualität ein neues Gebiet erkundet hatte, wollte ich mich künftig von diesem Punkt aus weiterbewegen, wollte ganz aus dem persönlichen Erleben schreiben. Das Ergebnis war dann das „Brilliant Trees“-Album, eine Platte, die die Veränderungen, die ich damals durchmachte, reflektiert. Eine weitere Offenbarung war dann „Blemish“. Von „Brilliant Trees“ bis dahin war die Reise relativ nachvollziehbar und linear. Doch bei „Blemish“ kommt es zu einem Sprung. Ich habe einen neuen Ansatz entwickelt, Musik zu komponieren, einen, der ganz dem Prozess der Improvisation verpflichtet ist. Und irgendwie geht die Reise nun hier weiter.

Beim ersten Hören haben die Songs vom Japan-Klassiker „Tin Drum“ nichts gemeinsam mit „Manofon“.

Ich bin mir da nicht so sicher. Schon in „Ghosts“ gab es bestimmte Strukturen und ein gewisses Maß an Abstraktion. Diese Elemente prägen seither meine ganze musikalische Karriere.

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