Delta Spirit: Geschichten im Gepäck
Die Kalifornier von Delta Spirit hadern mit den politischen Zuständen. Aber nur manchmal. Bitterböse Anti-Liebeslieder können sie auch.
Erschöpft sehen sie aus: Sänger Matt Vasquez und Mulitiinstrumentalist Kelly Winrich von Delta Spirit, die sich in ein schrillschönes orangefarbenes Sofa ihrer Plattenfirma Universal fläzen. Vielleicht ist es auch bloß Müdigkeit. 300 Konzerte haben sie nach der Veröffentlichung ihres Debüts „Ode To Sunshine“ gespielt, schon sind sie dabei den Nachfolger „History From Below“ zu bewerben. Und schreiben in Hotelzimmern weiter eifrig Lieder. Warum diese Doppelbelastung? „Warum nicht? Man ist halt auf Tour ständig mit Musik beschäftigt, was sehr inspirierend sein kann. Wenn dann ein neuer Song zu dir kommt, dann musst du ihm einfach nachjagen.“
Kurzdokumentation: Making of „History From Below“
Vor zwei Jahren waren Delta Spirit noch die verspielten Newcomer aus San Diego, die ihre charmant-schlurfigen Americana mit lauschigem Teenagepop verquirlten. Die neuen Songs scheinen dagegen ungleich reifer, auch tiefer, und mit mehr Drang zu großem Songwriting ausgestattet. Einige Stücke erinnern gar an den Dylan von „Freewheelin'“ und „The Times They Are A’Changin'“ Herausgekommen sind elf Stücke zwischen Americana, Folk, Pop – und Storytelling. „Wir schreiben einfach über das, was wir in den letzten drei Jahren erlebt haben“, gibt Winrich trocken zu Protokoll.
Mit „History From Below“ beziehen Delta Spirit aber auch politisch Stellung, obschon sie sich selbst nicht als politische Band im folkpuristischen Sinn sehen. Der Albumtitel spiele auf den Historiker Howard Zinn, nach dem Geschichte vor allem von den unteren Gesellschaftsschichten geschrieben würde. „In den 1930er Jahren saßen viele Amerikaner in einer Krise fest, die sie nur bewältigen konnten, weil sie zusammengehalten haben“, erklärt Matt Vasquez.
Dass es auch oder gerade heute wieder kriselt, beschäftigt die Band unablässig, was zu dem Song „911“ geführt hat – einer Abrechnung mit der Geschichtsverklärung in den USA nach dem 11. September 2001. „6000 US-Soldaten, die jünger als ich waren, sind inzwischen tot und unser Land ist immer noch in Afghanistan und im Irak“, empört sich Valquez. Das Schlimmste daran sei jedoch, dass immer mehr Leute die Sinnlosigkeit dieser Kriege erkennen würden und trotzdem alles unverändert weiter liefe. Delta Spirit wollen diese Entwicklung nicht ohne Widerspruch hinnehmen.
Delta Spirit – „911“ live
Auf die Frage, ob sie sich als politische Künstler sehen, reagieren sie allerdings verschmitzt abwehrend: „Crappy question“, konstatiert Vasquez. „Was wir dort besingen ist nicht politisch, es ist Fakt. Wir sind seit Jahren dort unten und schmeißen immer noch Cluster-Bomben auf Hochzeiten. Das beschäftigt mich eben. Und viele andere auch. Dafür muss man sich gar nicht explizit als politischer Künstler sehen.“
Stimmt. Und außerdem haben sie ja auch noch bittersüße (Anti-)Liebeslieder wie diesen im Repertoire:
Delta Spirit – „Bushwick Blues“ live at KEXP
Max Gösche