Dem Hospital entronnen: Evan Dando, der Lemonheads-Boß, singt wieder

Mach diesem Abend mußte man sich auf alles gefaßt machen. Auf eine jener Agentur-Meldungen z. B., die stereotyp vom Ableben eines gewissen Evan Dando berichten, der Sänger der Grunge-Pop Band Lemonheads gewesen sei und nun – Diagnose: Rock’n‘ Roll-Tod – in irgendeinem Hotel in Irgendwo gefunden wurde.

An jenem Abend im Herbst 1993 war Dando als trunkener Torso über die Bühne des Hamburger „Docks“ getorkelt. Als ein Schatten seiner selbst, der die Kontrolle über sich, seine Karriere und seine Musik verloren zu haben schien. Ziemlich genau drei Jahre später, im Konferenzraum seiner Plattenfirma, greift Evan Dando (Jeans und Pullover, Sixties-Stiefeletten) gern zur Akustik-Gitarre, wenn der Worte zwecks Promotion des neuen Lemonheads-Albums „Car Button Cloth“ genug gewechselt sind – seine Musik ein Refugium, das er mit geschlossenen Augen hinter einer Gardine fettiger Haare verteidigt. Vorher hatte er das schöne Wort „out-of-controlmisrepresentation“ geschöpft, um jene Zeit zu beschreiben, in der man auf alles gefaßt und „das Desaster wahrscheinlich nicht fern“ war.

„Das hatte alles nichts mehr mit Evan Dando zu tun“, meint Evan Dando heute. „Ich mußte Zeit und die Kontrolle wiedergewinnen.“ Zu „aufrichtig“ sei er gewesen, auch „zu naiv“. So naiv eben wie einer, der bereitwillig Szenen aus „Die Reifeprüfung“ nachstellt und hübsch-verschlafen in Bettwäsche posiert. Und sich dann wundert, daß man ihn zum „first sex-kitten of Grunge“ kürt. Ein Zyniker, versichert Dando, sei er darüber aber nicht gleich geworden. Das glaubt man gern. Und mehr als die berühmten drei Dinge, die Dando einst zu den Essentials des modernen Vagabunden erkor -Gitarre, Paß, Kreditkarte – hat er immer noch kaum zu verlieren. Immerhin darf Mom jetzt das Apartment in New York einhüten, das er sich dann doch nahm; das hübsche Strandhaus draußen in Martha’s Vineyard wird er jedoch bald wohl wieder aufgeben.

Die meisten neuen Songs schrieb er ohnehin in Australien, wo immer noch seine besten Freunde wohnen. Doch zumindest ein Song auf „Car Button Cloth“ weist auch in jene düstere Zeit, da man sich auf alles gefaßt machen mußte. „Hospital“ eine „etwas apokalyptische Vision“ (Dando) – entstand im Entzug, zu dem ihn seine Eltern und seine Schwester gedrängt hatten, als das Sorgenkind der Familie „etwas zuviel von allem“ in sich reinstopfte. Dando: „Eine äußerst demütigende Erfahrung.“ Kaum draußen, fing er wieder da an, wo er aufgehört hatte. „Erst Monate später, wurde mir klar, daß ich sterben würde, wenn ich so weitermache. Du mußt leben wollen, um mit harten Drogen aufzuhören. Und dieser Entschluß muß aus dir selbst kommen.“ Legenden dürften sich künftig weniger um seinen Drogenhaushalt als um einen Song ranken, der in letzter Minute vom Album gekippt wurde, auch wegen des Vetos von Co-Autor Noel Gallagher. „Da hab ich Glück gehabt“, sagt Dando und meint das auch noch ernst. Denn „alle wollten ‚Purple Parallellagram‘ natürlich gleich als Single rausbringen, und das wäre die falsche Botschaft gewesen, da Oasis nun überlebensgroß geworden sind.“ Er hatte Noel in Paris kennengelernt und dann einige Oasis-Konzerte eröffnet. – Was ja heute auch nicht mehr so einfach ist.

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