Den ganzen Weg gerannt

Chris Martin liebt sie, aber weinerliche Lieder kommen ihnen nicht in die Tüte: Morning Runner kommen als neuer britischer Melancholie-Export auf Zelt-Tournee

Matthew Greener ist genau 18 Jahre alt. als er das Elternhaus in Reading, Berkshire eher fluchtartig als freiwillig verlässt. Das Zusammenleben mit Vater und Mutter Greener ist unmöglich geworden, was sich der Spross durchaus selbst zuschreibt, und nur der kompromisslose Aufbruch in ein anderes, besseres Leben kann der Ausweg sein. Schon damals ist Matthew Greener nämlich ein Mann, den es drängt – irgendetwas in ihm will raus, will geboren werden wie ein überfälliges Kind. Nur weiß er nicht, was das sein könnte, und fühlt sich zugepropft und überreif, was zu viel Frustration und ausgemachter Unumgänglichkeit führt.

Mit erstaunlicher Determination trifft Greener draußen seine Entscheidungen: Lehre zum Krankenpfleger, Arbeit auf der Intensivstation, Ehe, Kind, Haushaltsgründung, alles binnen knapp zwei Jahren. Die Musik passiert eher aus Versehen: Greener gründet mit drei Freunden und ohne große Pläne die Band Morning Runner. Einer, der morgens rennt, sei durch nichts dazu gezwungen, erläutert Greener – er laufe viel mehr für sich selbst, um sich selbst zu verbessern und immer einen frischen Kopf zu haben. 7[o games, just Sports. Aber es wird mehr aus Morning Runner, weil es Greener wieder drängt, das Mögliche zu realisieren und aus nichts etwas zu machen. Morning Runner sind erst in London und dann überall eine geheime Sensation, bis sie schließlich bei der Firma Parlophone unterkommen.

So sind Greener und Morning Runner: Ein Lied ist ein Rätsel, das man lösen muss, ein zu entwickelndes Potenzial. „Wir sitzen oft stundenlang vor einem Akkordwechsel und starren ihn an – wir wissen, da drin steckt ein fantastisches Lied. Wir müssen es nur erkennen“, erklärt Greener, ein blasser, etwas enigmatisch wirkender Junge mit leiser Stimme, den man zunächst unterschätzt. .Jeder kann eine Platte machen wie Bob Dylan – man muss nur richtig hinsehen.“

Jetzt, ein Jahr nachdem Morning Runner ihr Debüt fertig aufgenommen haben, fühlt sich Greener wieder wie eine Knospe kurz vor dem Platzen oder eine geschüttelte Sektflasche. „Das Alte ist fertig, es klebt an mir. Vor uns ist nur eine weiße Leinwand. Morning Runner sind nichts, bis wir die Zukunft erkannt haben. Das ist ein riesiger Druck.“

Das Getrieben-Sein, der unbedingte Wille zur Gestaltung, aber auch die Klarheit und Zielstrebigkeit: Man muss diese Dinge im Kopf behalten, um Morning Runner hören zu können. „Wilderness Is Paradise Now“ hat diese Qualitäten, ist klar und zielstrebig, aber auch obsessiv. Ein erstaunlicher Erstling ist das, dem man den Debütantenstatus anhört – aber man hört auch, dass Morning Runner ihre Rätsel gut lösen und das in Zukunft sicher noch viel besser tun werden. Schon jetzt verwirft Greener die allzu verzerrten Gitarren und wummrigen Trommeln und verspricht für die Zukunft Mäßigung.

Die anderen von Morning Runner sind: Pianist Chris „Fields“ Weatcroft, der Greener beim Komponieren hilft und generell fürs Melodische zuständig ist; Bassist Tom Derrett, der Bodenständige, der alles zusammenhält und der Kunst das Rationale beimischt; schließlich Trommler Ali Clewer, der Witzbold und Chaot des Quartetts, der alles immer überall liegen lässt und sich auf dem Weg zur Bühne schon mal verläuft. Zusammen changieren Morning Runner zwischen erstaunlicher Härte und himmelstürmender Melancholie und markieren eine noch einigermaßen freie Position zwischen Coldplay, Starsailor und vielleicht Keane, indes ohne deren Trauerfeierlichkeit. „Ich würde niemals klagen oder weinerliche Lieder singen wollen!“ Da wird Greener ein einziges Mal laut und ein bisschen verächtlich, ohne direkt die genannten Kollegen zu meinen. „Es geht um Optimismus. Realistischen Optimismus, der das Unausweichliche erwartet und trotzdem alles tut, um hoffnungsvoll zu sein. Das ist Freiheit für mich.“ Gestaltungswille, auch hier.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates