Dennis und wir

Dennis Hopper ist unheilbar an Krebs erkrankt. Die toxischen Zwillinge sind mit dem Exzentriker schon lange befreundet.

Die Berichte über Dennis Hopper bei Redaktionsschluss klangen dramatisch und hoffnungslos. Der Krebs des 73 Jahre alten Schauspielers habe ein Stadium erreicht, in dem die Ärzte nichts mehr tun könnten, er bereite sich auf den Tod vor und nehme nun Abschied von seinen engsten Freunden.

Hopper hat nach Ansicht von Jutta Winkelmann eine ganz eigene Einstellung zum möglichen Ende. Dem ROLLING STONE sagte sie jetzt: „Dennis ist abgefahren genug, um seinen Tod als Grenzerfahrung zu werten, er hat vorher in seinem Leben schon ein paar mal Bekanntschaft damit gemacht, und er weiß, dass unser Aufenthalt hier begrenzt ist. Er sollte das Vorwort zu unserem Buch zu schreiben und wollte zur Eröffnung kommen, doch er schaffte es nicht mehr. Wir haben uns regelmäßig gesehen und uns immer unsere große Verbundenheit gegenseitig bestätigt. Wir hatten viel mit ihm gemeinsam.“

Winkelmann und ihre Schwester lernten Hopper früh kennen. Gisela ging mit ihm eine Weile nach Mexiko, wo Hopper auf Drogen mit Dynamit experimentierte. Die Begegnung mit ihm haben sie in ihrem autobiografischen Buch „Die Zwillinge“ ausführlich beschrieben, das vor zwei Jahren erschien. Jutta Winkelmann schildert ihre Eindrücke darin so: „Dennis sieht wild aus, seine Augen sind weit aufgerissen, und seine geraden Brauen stehen so aufrecht wie Ausrufezeichen. Was er sagt, berührt mich eigentümlich. Ich versuche doch ganz anders zu sein, eben ‚born to be wild‘. Dennis lacht rau: ‚Come on, don’t look so serious, it’s all a game! Ich hab bei Roger angerufen, Bob ist schon da.‘ Dennis und ich schließen uns den anderen an. Wieder kommt Gras in die Tüte. Gisela setzt sich auf Dennis‘ Schoß, sie sieht umwerfend aus. Ihr Anblick bedroht mich irgendwie. Dennis erzählt von Dreharbeiten. ‚The Last Movie‘ wird ihn finanziell fast in den Ruin treiben. Auch seine Reputation ist schwer beschädigt. Er bedauert das nicht. Dennis ist der amerikanische Antichrist, unser Begleiter auf der road to nowhere.

Wir begeben uns jetzt zum Haus von Roger McGuinn. Die Party ist in vollem Gang. Die Augen gewöhnen sich an schwaches Kerzenlicht. Man lagert auf Teppichen und Matten. Überfluss, wohin man schaut. Kartons voller Kokain werden herumgereicht, überall wartet das Gras in Schalen. Dazu psychedelischer Rock. Wir glauben in einem Refugium für freie Geister und freie Liebende zu sein. An einem mythischen Ort auf der Spitze der Welt. Bei einer magischen Versammlung der Auserwählten im Auge des Hurrikans. Hier atmet das große Karma: ‚For ever young, for ever here.‘ Dennis ist stolz auf uns. Wir stehen im Mittelpunkt und jeder will wissen, wer wir sind. Dennis führt uns in die Küche – da steht Bob plötzlich vor uns. Dennis nimmt ein Feuerzeug, er hält die Flamme hoch. Bob Dylan grinst schief und boxt den Kumpel in die Seite. Mir erscheint nun alles in einem sehr hellen Licht.“

Gisela Getty erinnert sich ebenfalls: „Er imitiert einen rasenden Stierkämpfer, fragt, wo die Maschinengewehre versteckt seien, droht Saki abzuknallen. Saki wiederum kaschiert seinen Ärger mit Beschwichtigungsfloskeln. Er ist sichtlich verletzt.

Noula bleibt ruhig, die anderen auch. Alle scheinen diese Seite von Dennis zu kennen. Ich bin nicht ohne Bewunderung für seinen Ausbruch … für diese Hemmungslosigkeit. Er schreit, was ihm in den Kopf kommt, rücksichtslos heraus und ohne Angst, dann nicht mehr geliebt zu werden. Sara macht den Fehler, Dennis beruhigen zu wollen. Er dreht noch mehr auf, wirft ihr und Maria ihre Eifersucht vor, von der er sich terrorisiert fühlt.

Er rast aus dem Zimmer, wir laufen ihm nach und springen zu ihm in den Pickup … in einer pechschwarzen Nacht. Die Scheinwerfer fressen sich durch die Dunkelheit, das Gebüsch am Rand der Sandpiste fliegt als flackerndes Muster vorbei. Dennis fährt wie ein Henker und schreit und schreit. Kurz vor seinem Anwesen hält er an. Dennis verschwindet mit Maria und Sara in der Küche. Ich verkrieche mich auf einem Sofa im dunklen Wohnzimmer. Im Kamin glimmt die Glut, ich fühle mich wie in einem Versteck. Aus der Küche kommen böse Geräusche. Ich kann mich jetzt nicht feige davonstehlen, obwohl mein Herz vor Angst rast. Dann stehe ich im Küchentürrahmen. Sara kauert auf den Fliesen, mit blutender Nase. Neben ihr hockt Maria, beide atmen schwer. Dennis ist eigenartigerweise nackt. Als er mich sieht, sagt er: ,Ich bringe euch alle drei um.'“

Die Passagen stammen aus: „Die Zwillinge – Vom Versuch Geist und Geld zu küssen“ Von Gisela Getty, Jutta Winkelmann, Jamal Tuschik, Weissbooks, Frankfurt, 2008. Als Taschenbuch im Heyne Verlag, München 2009

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