Der amerikanische Prinz. Zum Tod von Tony Curtis.

Gleich zwei Ehrwürdige Hollywoods verstarben in dieser Woche - Regisseur Arthur Penn und nun leider auch Tony Curtis. Er wurde 85 Jahre alt. Ein Nachruf von Arne Willander.

Er war einer der letzten jener alten Garde von Hollywood, die nach dem Zweiten Weltkrieg die alternden Stars ersetzten: Gregory Peck, Jack Lemmon, Walter Matthau, Sterling Hayden, Montgomery Clift, Marlon Brando, Rock Hudson und Burt Lancaster. In der Bronx von New York war Bernard Schwartz am 3. Juni 1925 geboren worden, er stammte von Ungarn ab und bekam mit Mühe einen Schulabschluss, bevor er im zweiten Weltkrieg kämpfte, 1945 verwundet wurde und eine Auszeichnung erhielt. Der gut aussehende Schwerenöter wollte Schauspieler werden und wurde immerhin von Erwin Piscator ausgebildet, der auch Brando einige Kniffe beibrachte. 1949 debütierte der glutäugige junge Mann – der sich erst in Anthony, dann in Tony Curtis umbenannte – in Robert Siodmaks „Cris Cross“ in einer Nebenrolle, die Aufsehen erregte – seine Schmalztolle wurde bald zur neuen Frisur der Jugend, von Bill Haley und Elvis Presley adaptiert.

1950 spielte Curtis eine winzige Rolle in Anthony Manns Western „Winchester 73“ – und chargierte anschließend in Abenteuerfilmen wie „Son Of Ali Baba“ und „The Prince Was A Thief“. Fast hätte er den alternden Errol Flynn im Fach des Mantel-, Degen- und Märchenkönigs abgelöst – doch Carol Reed holte den geschmeidigen Curtis (der schon „Houdini“ gegeben hatte) 1956 für „Trapeze“, wo er neben dem ehemaligen Zirkusartisten Burt Lancaster bestehen musste. Das Melodram wurde ein gewaltiger Publikumserfolg und ist einer der gescheitesten und besten Unterhaltungsfilme der 50er-Jahre. „Sweet SmellOf Success“ von Alexander Mackendrick ist sogar noch besser: Burt Lancaster spielte einen arroganten und zynischen Gesellschaftsreporter, ein veritables Ekel, und Curtis gab seinen Laufburschen, einen armseligen Zuträger und Sidekick, der schließlich gegen den sardonischen Menschenverächter aufbegehrt. Zwar hat Lancaster die dankbarere Rolle, aber Curtis zeigt einen heimlichen Romantiker, der sich als Svengali selbst verachtet.

1958 spielte er neben Sidney Poitier in „The Defiant Ones“, einem versöhnlerischen Film, der den Rassenkonflikt damit beilegen wollte, dass der gute Schwarze sich im Zweifel aufopfert. Immerhin wurde Curtis für den Oscar nominiert. Mit Billy Wilders „Some Like It Hot“ (1959) wechselte er höchst erfolgreich zur Komödie – und war in seiner Frauenverkleidung glaubhaft. Als Freizeitkapitän durfte er tun, was damals nahezu alle Männer wollten: Er verführte Marilyn Monroe. Später ätzte er undankbar, das Geschnäbel sei so gewesen, als hätte er einen Aschenbecher geküsst. Die Show stahl ohnehin Jack Lemmon. Mit Blake Edwards‘ „Operation Petticoat“ (1960) erreichte Tony Curtis den Gipfel seiner Karriere: In dem seichten Militärschwank durfte er neben Cary Grant, dem King of Comedy, spielen. Eine Rolle hielt auch Kirk Douglas in seinem „Spartacus“ für ihn bereit, doch der vierschrötige Held überstrahlte alle anderen Sklaven.

In den folgenden Jahren nahm Curtis viele Rolle in zweitklassigen Filmen an – auch die Reunion mit Lemmon in dem albernen „The Great Race“ (1965) half seinem Renommee nicht: Er war zum Kassengift geworden. Als Frauenmörder in „The Boston Strangler“ (1968) war er zunächst nicht gewünscht, doch nachdem er sich geschminkt, verkleidet und Fotos von sich an den Produzenten Richard Zanuck geschickt hatte, soll der ausgerufen haben: „Das ist unser Würger!“

1970 übernahm Curtis neben Roger Moore die Rolle eines amerikanischen Playboys in der englischen Klamauk-Fernsehserie „The Persuaders“, deren deutsche Synchronfassung („Die Zwei“) zwar wenig mit dem Original zu tun hatte, den Slapstick aber zum stets wiederholten Triumph werden ließ. In der Serie „Vegas“ trat Curtis ab 1978 als Gaststar auf und verdiente dabei mehr als der Hauptdarsteller Robert Urich. Auch in den späten Jahren mangelte es nicht an kleinen Rollen wie in Nicolas Roegs „Insignifance“ (1984). In Thomas Braschs Film „The Passenger“ spielte Curtis 1987 sogar die Titelrolle.

Alkohol und Kokain brachten den Hallodri damals mehrfach in die Betty-Ford-Klinik; auch kämpfte er um seine Kinder aus der Ehe mit Christine Kaufmann, die 1968 geschieden worden war. Fünfmal war Tony Curtis verheiratet – die berühmte Tochter Jamie Lee stammt aus der Verbindung mit der Schauspielerin Janet Leigh. Nach mehreren Operationen war Curtis in den letzten Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, ließ sich aber munter um die Welt kutschieren, eröffnete Ausstellungen mit seinen Malereien und empfing Preise fürs Lebenswerk. In Nevada unterhielt er einen Gnadenhof für Pferde und Esel. 2008 erschien Curtis‘ zweite Autobiografie, treffend „American Prince“ betitelt (in deutscher Übersetzung als „Vom Straßenjungen zum Hollywood-Star“ gerade im I.P. Verlag veröffentlicht).

Vorgestern starb Tony Curtis im Alter von 85 Jahren auf seinem Anwesen in Nevada.

Arne Willander

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