Der Anfang vom Rest

Noel Gallagher

London, Royal Albert Hall

Man hätte erwarten können, dass Noel Gallagher nach dem Ausstieg genug hat von Oasis, den Seifenoper-Streitereien mit Bruder Liam, dem ganzen Trara. Folglich hatte man beim ersten Solo-Auftritt Gallaghers nach der Trennung nicht zuletzt auf neue Songs gehofft. Oder wenigstens auf Nebulöses und ewig versprochene Internet-Blendgranaten wie „Stop The Clocks“. Leider schert sich Gallagher bekanntlich nicht um Erwartungen – und spielt bei seinen zwei Benefiz-Konzerten für den Teenage Cancer Trust in der Royal Albert Hall ausschließlich Oasis-Songs. Es sind die alten Klassiker, ihnen ist nichts hinzuzufügen, er spielt sie wie gewohnt, das Publikum kennt sie alle und goutiert sie gewohnt schwelgerisch.

Gallagher eröffnet den Abend mit „(It’s Good) To Be Free“. Hinweis oder nicht, er kostet seine Gelassenheit aus. Mit 42 hat er die richtige Stimme für die lakonischen Sentenzen aus „Rockin‘ Chair“, das brüchige „Cast No Shadow“ klingt ungewöhnlich triumphierend, „Wonderwall“ singt das Publikum fast ohne Noels Zutun. Das macht dann auch den Einsatz des Crouch End Choir überflüssig: Was können schon 40 geschulte Kehlen gegen das Biergegröle 5000 nostalgischer Oasis-Fans anrichten?

In dem festen Wissen, dass er auch ohne neues Material eine gute Show abzuliefern vermag, verbringt Noel den Abend zufrieden auf einem Bürostuhl mit der Gitarre im Schoß – um ihn herum Schlagzeuger Terry Kirkbride, Jay Darlington an der Orgel sowie der ehemalige Oasis-Gitarrist Gem Archer, der ebenso bei Liam Gallaghers neuer Band dabei ist. Offenkundig das Schoßhündchen, das sich die Geschiedenen nach der Trennung weiterhin teilen.

„Für gute Zwecke gibt’s keine neuen Lieder“, sagt Gallagher schließlich auf bittenden Zuruf aus der ersten Reihe. „Obwohl sie verdammt großartig sind“, schiebt das notorische Großmaul hinterher. Das Duell ist eröffnet. Get in the ring, Liam! daniel C. Schmidt

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