Der Anti-Virile

Buch und Platte von Jens Friebe sind die Kunststücke eines sich selbst inszenierenden Sensibelchens

Das könnte Jens Friebes Jahr werden. Gerade erscheint sein schon länger fertiges, dann aber verschobenes drittes Album „Das mit dem Auto ist egal Hauptsache dir ist nichts passiert“. Und Friebes Debüt als Schriftsteller hat die Novitäten-Ecke der Buchläden auch noch nicht verlassen. „52 Wochenenden“ (Kiwi) ist ein charmantes, komisches und vor allem wohlformuliertes Buch, obwohl es in erster Existenz ein Blog auf seiner Heimatseite jens-triebe.de war. Man merkt diesen Texten jedoch ausnahmsweise die Schmuddelecken-Provenienz nicht an, was daran liegen mag, dass der Autor die Tinte all die Jahre schön flüssig gehalten und sich im Nebenjob als Pop-Journalist für „Intro“ und Jungle World“ verdingt hat. Friebe plaudert sich hier, zwischen neunmalcoolem Szenesprech und altbürgerlicher Sakko-Gewähltheit changierend, durchs Jahr, erzählt vom Weggehen in Berlin, von den Mühen und Unbilden des Musikmachens, vor allem immer wieder vom harten, wilden Tourleben, das sich ihm aber eher in der Kuschelrock-Variante offenbart. Friebe ist ein anti-viriles Sensibelchen, einer, der kein Fleisch isst, Ecstasy nicht verträgt, Hasch schon gar nicht, und der, wenn er es sich zu Hause mal so richtig besorgen will, eine Früchtebowle mit Vanille-Eis ansetzt. Aber aus dieser habituellen Dünnhäutigkeit, ganz früher sagte man mal Empfindsamkeit, resultiert dann auch sein Beobachtungstalent und sein feines Sprachgefühl. „Anti-viril nehme ich gerne“, stimmt er zu. „Zum Ecstasy muss man sagen, dass Erzähler und Autor der Tablette über ein Jahr fröhlich zugesprochen hatten, bevor die Empfindsamkeit einsetzte. Das mit der Bowle war natürlich erfunden.“

Das ironische Spiel mit den eingeübten Gender-Stereotypen gehört zu Friebes karikaturhaft-glamouröser Selbstinszenierung. Schon auf dem Cover seines Debütalbums „Vorher/Nachher Bilder“ posiert er wie ein verträumtes, mit Lipgloss geschminktes Schulmädchen. Und auch in seinen Texten kommt er immer mal wieder darauf zurück. Auf dem neuen Album etwa in „Frau Baron“, wo er das lyrische Ich in die Rolle des Bauerssohnes schlüpfen lässt, der bei der Baronin antichambriert, um anschließend seine Pacht in Naturalien zu bezahlen. „Eine Mischung aus Turgenjew und Arztroman“, schlägt der vermutlich von ihm selbst geschriebene Pressetext lustigerweise vor.

Während er früher manchmal fast ein bisschen zu deutlich geworden ist und den Protestsong auf durchaus eigenwillige Weise reaktiviert hat, hält er sich nun mit Zeitansagen ziemlich zurück. Hier erscheint das Politische eher verschlüsselt oder aufgehoben im Privaten. Gegen das Genre hat er jedoch weiterhin nichts einzuwenden: „Chumbawamba: ,Ulrike‘, Robert Wyatt: ,Age Of Self, Bertolt Brecht: .Resolution der Communarden, Dead Kennedys: ,Kill The Poor‘, Britta: „Wer wird Millionär?“ Es geht also!“

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