Der Beat hat heute blaue Augen

Jeder weiß mittlerweile, wie es klingt, wenn einer frickelt. Spätestens, seit Console bei The Notwist ist, denn der wird am liebsten mit diesem populären, lautmalerischen Begriff bezeichnet: Der so genannte Frickler baut seine elektronischen Stücke nicht auf fette Beats, die in großen Discos ziehen würden, sondern auf knisternde, knackende Rhythmus-Splitter – die auch deswegen intim und privat klingen, weil sie an die Nebengeräusche des Plattenspielers erinnern.

Auf den ersten drei Alben von Stefan Betke aus Berlin, der sich Pole nennt, ist bei oberflächlichem Genuss gar nicht mehr zu hören als dieses Knistern, mit langsamem, tiefem Bass, mit ein paar unaufdringlichen Soundflächen. Wie viele Ameisen, die ziellos durcheinander laufen und dann plötzlich, wenn man sie lange genug beobachtet, eine perfekte Formation bilden. „Der Zweck ist, mit möglichst wenig Vokabular und einfachen Mitteln eine möglichst weitreichende Atmosphäre zu beschreiben, die den earcatcher-Effekt dadurch erreicht, dass sie mit spannenden, neuen Strukturen agiert“, sagt Betke. Und weil er weiß, wie diese Definition wirkt: „Ich bin an Musik immer intellektuell rangegangen, aber heute würde ich Kopf und Bauch nicht mehr strikt trennen, wie wir das in den 80ern und 90ern versucht haben.“

Poles neue Platte „Pole“ klingt – mit allen Vor- und Nachteilen – längst nicht mehr so rätselhaft und abstrakt wie die alten Werke, mehr wie ein anspruchsvoll gearbeitetes HipHop-Album. Er sei der Knackser halt auch mal überdrüssig geworden, sagt Betke. Die kamen übrigens immer aus einem defekten Filtermodul, das nach einem Absturz Störgeräusche produzierte. Die besten Sequenzen davon verwendete Betke. Frickelei und echter Zufall.

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