Der Deutsche Fernsehpreis: Gewinner und Verlierer, Nazan und Tante Eckes

Mit Birgit Fuß und Arne Willander hat unsere Redaktion gleich zwei Fernseh- und Serienexperten an Bord, die für uns regelmäßig die TV-Landschaft analysieren und/oder sezieren. Hier schreibt Birgit Fuß in ihren TV-Fußnoten über den Deutschen Fernsehpreis.

Da wird „Der deutsche Fernsehpreis 2011“ vergeben, und wer darf’s moderieren? Marco Schreyl! Der Mann, der gar nichts kann. Neben ihm steht – ein bisschen hölzern – Nazan Eckes, der man als Frisur ein kaputtes Vogelnest auf den Kopf gesetzt hat, das zu dem aufgerüschten Kleid passt: Die sonst so hübsche Moderatorin sieht aus wie ihre eigene biedere Tante. Dabei sind wir doch gar nicht bei der ARD, sondern bei RTL.

Hannes Jaenicke darf den Preis für die „Beste Serie” verleihen. Vielleicht hätte er nicht „24“, „Mad Men” und „Breaking Bad” aufzählen soll, dagegen wirken die nominierten deutschen Produktionen dann doch bieder. „Weissensee” gewinnt gegen „Der letzte Bulle” und „Doctor’s Diary”, Diana Amft zieht eine kleine Schnute, aber sie hat ja noch ein paar Jahre Zeit, und Produzentin Regina Ziegler sei der Preis endlich mal gegönnt – selbst wenn „Weissensee” dick aufgetragen und allzu vorhersehbar war. Eine gute alte Ost/West-Tragödie schlägt eben immer noch jede leichte Unterhaltung. Allerdings schlägt das Nazi-Drama-Spektakel „Hindenburg” dann wiederum „Go West” in der Kategorie „Bester Mehrteiler”.

Wladimir Klitschko („Beste Sportsendung”) stammelt wie immer langweiliges Zeug. Rolf Seelmann-Eggebert („Besondere Leistung”) freut sich wie Bolle über Ulla Kock am Brinks holprige Laudatio und erinnert an die vier Karrieren, die er vor der Hofberichterstattung hatte, an elf Umzüge und eine Familie, die das alles mitgemacht hat. Sehr sympathisch. Vielleicht bin ich heute abend auch besonders milde, ich finde sogar Dieter Nuhr ganz lustig. „Beste Show” geht an den „Eurovision Song Contest”, und Anke Engelke zeigt noch einmal, was sie kann. Im Gegensatz zu Judith Rakers zum Beispiel: charmant sein. Später bekommt sie auch den „Comedy”-Preis, erspart uns damit Bülent Ceylan und freut sich noch mehr.

Natürlich wird Loriot gefeiert, und anschließend als „Bester Schauspieler” Jörg Hartmann für seine Stasi-Rolle in „Weissensee”. Ich hätte es Justus von Dohnanyi gegönnt, aber der ist wohl nicht vor Ort. Dafür bekommt Denis Scheck das verdiente Lob und sagt zum Dank ein Robert-Gernhardt-Gedicht auf – im Privatfernsehen! Herrlich! Dass danach die Toten des Jahres vom pathetischen Gedröhne des Grafen untermalt werden, muss man aushalten können. Aber: Bernd Eichinger. Liz Taylor. Curth Flatow – da hätte man schon Würdigeres auffahren können als nervös herumfahrende Wackelkameras und „Geboren um zu leben”.

„Dokutainment” muss heutzutage auch ausgezeichnet werden. Daniela Katzenberger scheint glücklicherweise abgemeldet, also gewinnt „Stellungswechsel” gegen den „Wettlauf zum Südpol”. Joey Kelly verliert nicht gern, man sieht’s. Markus Lanz auch nicht, aber seine Fassade sitzt. Bei der Kategorie „Schauspielerin” hatte es die Jury schwer: Maria Simon? Alexandra Neldel? Nein, es gewinnt Nina Kunzendorf, völlig zu Recht. Nach ihrer bedächtigen Rede flüchtet sie fast von der Bühne und sinkt selig lächelnd in den Sessel. „Bester Fernsehfilm” wird dann „Homevideo”, und plötzlich kommt Tante Eckes als junge Nazan zurück – mit lockeren Locken und scharfem Kleid. Über meiner Erleichterung hätte ich fast den „Förderpreis” für Jonas Nay verpasst. Die Sendung nimmt aber auch kein Ende, jetzt kommt noch der dröge Johann König und schon wieder Werbung – bald dauert der „Deutsche Fernsehpreis” länger als die „Oscars”, und die Versuchung, zu „Becker” umzuschalten, wird immer größer.

Das Finale beginnt mit dem Preis für die „Beste Information”, Ranga Yogeshwar holt ihn. Fukushima-”Brennpunkt” schlägt also Antonia Rados vs. Gaddafi, die Euro-Krise hatte sowieso keine Chance. Als „Beste Reportage” wird „Adel vernichtet” ausgezeichnet, die Oppenheim/Schickedanz/Karstadt-Tragödie. Allzweckwaffe Christine Neubauer darf noch eine „Besondere Leistung” würdigen, die Spielfilm-Trilogie „Dreileben”. Haben zwar nicht viele Leute gesehen, doch die sollen begeistert gewesen sein.

Nach drei Stunden endlich: der Showdown! Für den begehrten „Publikumspreis” stehen zur Auswahl: Günther Jauch und Stefan Raab sowie Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen wohl als eine Person durchgehen, weil sie gemeinsam alles moderieren können, was das deutsche Fernsehen so hergibt. Haben natürlich leider trotzdem keine Chance – gegen Raab, der tatsächlich mal überrascht ist, dass nicht Jauch das Rennen gemacht hat. Sogar die strenge Sonja Zietlow nickt anerkennend.

Auftritt: Frank Elstner, drei Minuten Laudatio für Joachim Fuchsberger, die sich wie zehn anfühlen. Ich kann mich gerade noch wachhalten – vor allem, weil ich so gern Blackies gnädiges Lächeln sehe. Und weil schließlich natürlich alle aufstehen und applaudieren, bis jeder ganz gerührt ist – auch der Alte, der sich mit der amüsantesten Rede des Abends auch für das „Sitzfleisch” des Publikums bedankt. Er schaut sich den Ehrenpreis an und sagt: „Auf dich habe ich gerade noch gewartet.” Joachim Fuchsberger hat solche Trophäen nicht mehr nötig, aber er nimmt sie gern – und verabschiedet sich mit den Worten: „Mein Herzenswunsch heißt: Auf Wiedersehen!“

Birgit Fuß schreibt in unserem Redaktionsblog regelmäßig ihre TV-Fußnoten und kommentiert mal amüsant mal kritisch TV-, Film- und Seriengeschehen. Hier finden Sie alle bisherigen Beiträge.

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