Der Deutsche Herbst – Nach den US-Blockbustern dominieren mit viel Selbstbewusstsein hiesige Filme den Monat

Til Schweiger, Bernd Eichinger, Bully – alle sind sie da, nur Otto fehlt diesmal, dafür ist sein Regisseur Sven Unterwaldt dabei. Nacheinander im Abstand von einer Woche, als hätten sie sich abgesprochen, werden die Garanten für eine deutsche Erfolgsquote im Kino der letzten Jahre von Ende September an zusammentreffen. 14 Filme aus heimischer Produktion laufen dann an, das sind erstmals in einem Monat knapp mehr, als die sonst dominierenden Studios aus Hollywood hier auf den Markt bringen. Und gut die Hälfte davon ist darauf ausgerichtet, potenziell ein Zuschauerhit zu werden. Es scheint, als habe der deutsche Film nach diversen Einzelleistungen ein neues, kollektives Selbstbewusstsein entwickelt, Dass dieser Herbst ein sehr deutscher wird, liegt auch ein bisschen an den Amerikanern, die mit den meisten ihrer Blockbuster schon durch sind. Früher hat Hollywood seine Filme auch überwiegend zu dieser Zeit in Deutschland gestartet. Anders als in den USA, wo traditionell der Sommer mit den vielen Nationalfeiertagen die umsatzstärkste Saison ist, galt hierzulande diese Phase schon wegen der langen Ferien als nicht sehr einträglich. Die Globalisierung hat diese Gepflogenheit gekappt: Multimediale Vernetzung, Synergieeffekte bei den Kosten und die Angst vor Raubkopien bewegen die großen US-Produktionsfirmen dazu, vermehrt Filme von der Premiere an in einem engen Zeitrahmen weltweit auf den Markt zu bringen.

Die hiesigen Produzenten haben das als Chance erkannt. War ein deutscher Film erfolgreich, wurde er fast immer zwischen Oktober und März gestartet. Und die letzten zwei Wochen im September hat stets Bernd Eichinger für sich reserviert. Da liefen „Der Untergang“ und „Das Parfüm“ an – und kommt nun „Der Baader-Meinhof-Komplex“ (Start 25.9.) in die Kinos. Das zweifellos spannendste, von Uli Edel („Christiane F.“) inszenierte Projekt dieses Deutschen Film-Herbstes macht damit nicht nur den Auftakt und ist als historische Buchverfilmung mit hohem Budget und ganz viel Prominenz zudem ein Synonym dafür, wie in Deutschland großes Kino gedeutet wird.

Denn weiterhin wird das meiste Geld in die Mottenkiste gesteckt: Max Färberböck („Aimee & Jaguar“) erzählt in „Anonyma“ (Start 23.10.) mit der grandiosen Nina Hoss als von Russen vergewaltigter Fotografin wieder aus dem Zweiten Weltkrieg. In Unterwaldts „U 900“ (Start 9.10.). einer unfassbar lahmen Parodie auf „Das Boot“, kentert Atze Schröder mit Ruhrpott-Weisheiten. Auch die packende Eiger-Tragödie „Nordwand“ (Start 23.10.) von Philipp Stölzl mit Benno Führmann als Bergsteiger spielt 1936 im Schatten der Nazis. Der alte Joseph Vilsmaier verfilmte in „Die Geschichte vom Brandner Kasper“ (Start 16.10.) mit Franz Xaver Kroetz und Michael „Bully“ Herbig ein volkstümliches Lustspiel aus der Kaiserzeit wie für den Theaterstadl. Und solide ist die Adaption von Ottfried Preußlers zwar wunderbarem, aber angestaubtem Kinderbuchklassiker „Krabat“ (Start 9.10.) mit Daniel Brühl. Einzig Uwe Boll traut sich mit „Far Cry“ (Start 2.10.) etwas anderes. Seine Computerspiel-Verfilmung mit Til Schweiger verpufft allerdings.

Moderne, universellere Stoffe sucht man bei deutschen Großproduktionen noch vergeblich. Fündig wird man da beim Low-Budget-Kino der Sorte Problemfilm, meist von Debütanten gedreht, die sich eher der europäischen Tradition verpflichtet fühlen. Bewegend, wenn auch langatmig ist „Die Fremde in mir“ (Start: 9.10.) von Emily Atef über eine Mutter, die nach der Geburt keine Nähe zu ihrem Wunschkind empfindet. Eindringlich, aber recht konstruiert erzählt Nicolai Rohde im Drama „10 Sekunden“ (Start 2.10.) von Schuld- und Rachegefühlen nach einem Flugzeugunglück. Bemerkenswert aktuell schildert Brigitte Berteies „Nacht vor Augen“ (Start 9.10.) das Trauma eines Bundeswehrsoldaten nach einem Einsatz in Afghanistan. Kämen diese Themen und Talente mal mit Geld und Stars zusammen, könnte aus deutschen Filmen tatsächlich großes Kino entstehen.

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