Der Drehbuch-Pate: Zum 80. Geburtstag des großartigen Autors Robert Towne

Robert Towne ist der berühmteste Script Doctor des Kinos: Er kommt, wenn der Karren in den Dreck gefahren wurde. Er verantwortete aber vor allem auch einige der besten Drehbücher der letzten Jahrzehnte: "Chinatown", "Bonnie And Clyde" und "Shampoo".

Robert Towne ist dafür verantwortlich, dass im Jahr 1985 ein Hund für den Oscar für das das beste Drehbuch nominiert war. Weil Towne aus Enttäuschung über den Film „Greystoke“ seinen Namen zurückgezogen hatte und dafür den Namen seines Hundes, P. H. Vazak, setzte, wurde das Tier zur Preisverleihung eingeladen – gewann aber nicht. Sein Herrchen hätte den Oscar verdient gehabt, denn Robert Towne ist der berühmteste Script Doctor des Kinos: Er kommt, wenn der Karren in den Dreck gefahren wurde, wenn der Regisseur nicht weiter weiß, wenn der Produzent Änderungen verlangt, wenn das Studio ein Desaster befürchtet. Große Autoren wie William Faulkner, Raymond Chandler, F. Scott Fitzgerald und Ben Hecht haben als Drehbuchretter gearbeitet – aber Robert Towne hat daraus eine edle Profession gemacht.

Towne wurde am 23. November 1934 (als Robert Schwartz) in San Pedro geboren, wuchs In Los Angeles auf, wo sein Vater im Immobiliengeschäft arbeitete. Der große, athletische Mann war ungewöhnlich belesen, besonders für Hollywood-Verhältnisse, und schrieb bereits Anfang der 60er-Jahre fürs Fernsehen und einige Drehbücher für die hastig heruntergekurbelten Filme von Roger Corman. Beim gemeinsamen Pychotherapeuten lernte er Warren Beatty kennen und wollte ihn für ein Projekt mit Corman interessieren, doch Beatty blieb skeptisch, wie Peter Biskind in „Easy Riders, Raging Bulls“ zitiert: „Ich komme mir vor wie ein Mann am Vorabend seiner Hochzeit: Die Braut ist wunderschön, doch dann erfahre ich, dass sie seit acht Jahren auf den Strich geht.“ Mit Towne freundete er sich aber an.

Als Beatty 1967 „Bonnie und Clyde“ produzierte und mit dem Drehbuch von Robert Benton und David Newman nicht vollkommen einverstanden war, bat er Towne um Hilfe. Beatty, der den Gangster ohnehin gegen sein Image spielte, missfiel Clydes Homosexualität als Subplot; die Andeutung von Impotenz störte ihn nicht. Towne überarbeitete das Skript, stellte etwa eine Szene mit Gene Wilder als Bestattungsunternehmer, den Bonnie und Clyde im Auto mitnehmen, nach vorn, um früh eine düstere Ahnung von Verhängnis zu etablieren. Für drei Wochen Arbeit bekam Towne 250.000 Dollar, die gut angelegt waren, denn „Bonnie und Clyde“ wurde nach bescheidenem Anfang ein gewaltiger Erfolg.

Diese Art von Drehbuchschreiben gefiel Towne, der auf Dialoge spezialisiert war. Der Hypochonder war ohnehin meistens an sein Haus gefesselt, denn er bestand darauf, gegen Schimmelpilze und Sporen, Soja, Wein und Käse sowie gegen den Teppichboden in seinem Haus, die Akazie in seinem Garten und feuchtes Wetter allergisch zu sein. Außerdem befürchtete er eine Erkrankung der Schilddrüse. Biskind nennt ihn einen „Meister der Konversation“ und „rabbinerhaft“, aber der scharfzüngige David Geffen sieht es anders: „Bob ist ein begnadeter Autor, aber ein extrem langweiliger Mensch. Er spricht nur von sich selbst. Zum Schreiben zog er sich immer nach Catalina zurück, und hinterher erzählte er in allen Einzelheiten, wie er den Kühen beim Scheißen zugesehen hatte.“

Die scheißenden Kühe befähigten Towne offenbar dazu, Dialoge zu schreiben wie den von Marlon Brando und Al Pacino in „Der Pate“, ein Meisterwerk von drei Minuten: Im Garten sitzend, erklärt Don Corleone seinem Sohn, dass ihm der Rotwein heute besser schmecke als früher, und bedauert, dass er nicht genügend Zeit hatte, um Michael in die Legalität zu führen; er hatte sich so gewünscht, dass der Sohn ein Senator oder Abgeordneter wird. „Es wird kommen, Pa“, sagt Pacino. Die Melancholie, die Friedlichkeit dieses Moments am Ende eines Lebens sind überwältigend.

Im Jahr 1973 schrieb Towne das Drehbuch für Hal Ashbys „The Last Detail“ mit Jack Nicholson. Für „Chinatown“ hatte er die Idee, nachdem er die Bemerkung eines  Polizisten gehört hatte: „Die in Chinatown haben ihre eigene Kultur.“ Als Regisseur wurde Roman Polanski gewonnen, und der Rest ist Filmgeschichte. 1977 schrieb Towne für Warren Beatty die überdrehten Dialoge von „Shampoo“, 1978 die liebenswürdige Komödie „Heaven Can Wait“. Bei „Personal Best“ (1982) führte Towne erstmals Regie, doch der Sportfilm wurde bescheiden aufgenommen. Sein Lieblingsprojekt, eine Tarzan-Version aus der Sicht der Affen, wurde zwar 1984 als „Greystoke“ von Hugh Hudson realisiert, doch das Drehbuch verstümmelt und verkitscht (und dennoch für den Oscar vorgeschlagen). Noch einmal arbeitete TTowne mit Roman Polanski: an dem Paris-Thriller „Frantic“ (1987) mit Harrison Ford, einem für Towne verblüffend aktionsreichen Thriller.

Die Regie-Arbeit „Tequila Sunrise“ (1988) mit Mel Gibson, Kurt Russell und Michelle Pfeiffer erwies sich als milde Brandung romantischer Klischees am Strand von Malibu, ein Melodram als Gangsterfilm. Das Simpson-Bruckheimer-Desaster „Days Of Thunder“ (1990) hat immerhin die markigen Sprüche von Robert Towne, die Tom Cruise und Robert Duvall aufsagen; bei „The Firm“ (1993) adaptierte er den länglichen Anwaltskrimi von John Grisham. Bei „Mission: Impossible“ (1996) und „M:I 2“ (2000) arbeitete Towne mit Brian DePalma und John Woo; Tom Cruise, Hauptdarsteller der Filme, produzierte 2006 Townes „Ask The Dust“ nach dem Roman von John Fante, abermals eine elegische Liebesgeschichte, jetzt mit Selma Hayek und Colin Farrell. Seitdem hat der neben David Mamet und Quentin Tarantino beste Drehbuchautor der Welt nichts mehr geschrieben. Vielleicht hatte er nicht genügend Zeit.

Heute wird Robert Towne, entgegen seinen Befürchtungen, 80 Jahre alt.

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