Der fromme Outcast

Nach seiner Scheidung von einer Ex-Stripperin, Drogen-Problemen und Tränen kann der Rapper Pigeon John immer noch über sich lachen.

Nicht oft setzt sich ein Künstler so schön zwischen die Stühle wie Pigeon John mit seinem neuen Album „Dragon Slayer„. Der Kalifornier weitet die Grenzen des HipHop mit Beatles-Harmonien und 60s-Pop sowie diversen anderen Stilzitaten. Der Freistil passt gut in die Biografie von John Kenneth Dunkin alias Pigeon John, der auch sonst meistens zwischen den Stühlen saß. Als Kind einer deutsch-dänischen Mutter und eines afrikanischen Vaters in Omaha, Nebraska, wo er nicht weiß genug war. Als Teenager in Inglewood, Los Angeles, wo er nicht schwarz genug war.

Und als Teil des HipHop-Kollektivs L.A. Symphony, das sich aus einer christlichen Jugendgruppe entwickelte, in der Contemporary Gospel Music aber nie recht heimisch wurde. „Wir spielten in Kirchen, aber da gehörten wir nicht richtig hin“, erinnert sich John, „dann spielten wir in Clubs, aber das war auch nicht ganz unser Ding.“ Pigeon John wurde zum frommen Outcast, der seinen Glauben freimütig thematisiert, ansonsten aber nur wenig mit kirchlichen Konventionen am Hut hat.

Sein neues Album ist ein Kehraus. Pigeon John hat nach eigenen Angaben ein wildes Leben gelebt und alle Klischees des fahrenden Rappers erfüllt. „Irgendwann saß ich in einem Hotelzimmer voll Frauen und Drogen und fing an zu heulen“, sagt er, „ich hatte nicht bemerkt, was für ein Arsch ich geworden war.“ Da war die Ehe mit der Ex-Stripperin und Buchautorin Harmony Dust schon hinüber, die Talsohle durchschritten. John setzte sich mit einem billigen Keyboard auf die Rückbank seines Tourbusses, schrieb ein neues Album mit persönlichen Liedern und arrangierte sie anschließend mit richtigen Instrumenten und einem richtigen Produzenten.

Schwermütig oder gar moralinsauer ist Johns Album trotz Scheidung und bitterer Selbsterkenntnis nicht, eher spielerisch und unbekümmert. An vielen Stellen auf „Dragon Slayer“ macht der Künstler sich über sich selbst lustig, was dem Album einen sympathisch schrägen Charme verleiht. Doch auch einige anrührend ehrliche Lieder sind im Repertoire. „Egal, wie schlimm es ist, ich muss über mich lachen können“, sagt PJ, „das war die Marschroute für das Album: Echtes Lachen und echtes Weinen kannst du nicht vortäuschen.“ Auch hört man der Musik auf „Dragon Slayer“ die kindliche Neugierde an, mit der sich John seine eigene Popmusik macht. Manchmal klingt er schmierig und angeberisch wie ein Pimp-Rapper, dann wieder überrascht die Pop-Sensibilität seiner Songs und der Dub-Groove, der an die verrückten Fishbone erinnert, die vor 20 Jahren Curtis Mayfield mit Punk und Metal verbanden.

Seinen tragfähigen Allzweck-Glauben hat Pigeon John übrigens nicht verloren. „Gott lässt sich nicht abschütteln. Es macht mich immer fertig, wenn ich gerade auf einem tierischen Trip bin – und er plötzlich da sitzt und mit mir eine Zigarette raucht.“ Jörn Schlüter

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