Der Jahresrückblick: Soul kennt keine Farbe

Hipster-R&B ist eine der auffälligsten Entwicklungen in diesem Jahr. Protagonist ist natürlich Frank Ocean. Markus Schneider über den Newcomer.

Die auffälligste Entwicklung im R&B dieses Jahres stammt im Grunde aus dem vergangenen und nennt sich Hipster-R&B (oder, nach der Hipster-Biermarke Pabst Blue Ribbon, PBR&B). Die gerade erschienene „Trilogy“ von Abel Tesfaye alias The Weeknd illustriert das recht schön: Das Album versammelt in einer Major-Veröffentlichung die viel gefeierten drei Gratis-Mixtapes, die der kanadische Produzent im vorigen Jahr ins Netz gestellt hatte. Der wichtigste Protagonist des Trends ist natürlich Frank Ocean. Nicht allein, weil er das Versprechen seines großartigen Mix­tapes „Nostalgia, Ultra“ aus dem vergangenen Jahr mit seinem amtlichen (Major-)Debüt „Channel Orange“ noch großartiger einlöste. Sondern auch, weil er durch sein Outing den Schritt aus der Bling- und Macho-Welt des Mainstreams wagt, der sich seit Längerem bereits ästhetisch andeutete. Auch im R&B darf man nun mit verrauschter Wehmut von der inneren Leere und Perspektivlosigkeit nach dem Konsumexzess berichten.

Angestoßen von Kanye Wests Arbeit der vergangenen Jahre treffen sich R&B-Stimmen und -Beats mit den subkulturellen Szenen des Indie-Pop. Das gilt für weiße Hipster wie den Brooklyner Philosophen Tom Krell, der als How To Dress Well süßen Soul durch die modischen Echowelten seines Laptops schickt, für Cody Chesnutts Neo-Soul-Meisterwerk „Landing On A Hundred“ und für zahlreiche Kollaborationen – etwa von Mischpult-Nerd Jamie „XX“ Smith mit dem depressiven Party-Molch Drake oder Erykah Badu mit den Flaming Lips. Nicht zuletzt verweist der solcherart erneuerte Soul die reinen Restauratoren von Daptone zu Michael Kiwanuka zurück in die Fetischecke. Auch Musiker wie Ocean oder Chesnutt beziehen sich gut hörbar auf Stevie Wonder, Marvin Gaye oder Al Green. Aber ihre historische Sehnsucht gilt nicht dem Sound, sondern der Idee eines farbenblinden Pop-Modernismus.

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