Der kleine Astronaut

Der Flaming Lips-Film "Christmas On Mars" ist seit sechs Jahren in Arbeit - er könnte ein C-Movie-Debakel werden. Oder ein Triumph.

Das Wichtigste bei Science-Fiction-Filmen: Man muß aufpassen, daß sie zeitig fertigwerden, bevor die Wissenschaft weit genug ist und die Phantasie Wirklichkeit wird. Es dauert zwar noch eine Weile, bis die ersten Menschen auf dem Mars leben können – andererseits ist der Flaming Lips-Spielfilm „Christmas On Mars“ noch immer nicht veröffentlichungsreif, und wenn man nachfragt, kriegt man genervte Blicke zurück. Vor knapp drei Jahren tauchte der erste Trailer auf, in dem die DVD für Weihnachten 2003 angekündigt wurde. Ob es Weihnachten 2006 endlich klappt, steht – genau! – in den Sternen.

Kein Wunder, denn „Christmas On Mars“ ist ein Nebenprojekt von Sänger Wayne Coyne, privat organisiert und finanziert, dementsprechend allen anderen Verpflichtungen untergeordnet, die die Flaming Lips in den turbulenten Jahren nach der „Soft Bulletin“-Veröffentlichung hatten. Coyne hat nicht das Drehbuch geschrieben, macht die Regie gemeinsam mit dem alten Freund Bradley Beesley (der viele Lips-Videos und die berühmte Dokumentation gedreht hat), hat auch die Film-Sets selbst gebaut, aus gesammeltem und geschnorrtem Material. Inspiration für das Innendesign des Raumschiffs kamen weniger aus futuristischen Filmen als von dokumentarischen Fotos, auf denen der Arbeitsplatz des Astronauten mehr wie häßlicher Kabelsalat aussieht und kaum wie Stanley Kubrick.

„Ein bißchen wie ‚Eraserhead‘ oder ‚Dead Man‘ mit Elementen aus Raumfahrt und Märchen, wie ‚Wizard Of Oz‘ und ,2001 – Odyssee im Weltraum“, hat er sein kleines Werk ästhetisch exakt charakterisiert. „Aber eben ohne Geld und richtige Schauspieler. Und in der Weihnachtszeit angesiedelt.“

Natürlich hat der Film auch die für die aktuelle Inkarnation der Flaming Lips typische Tod-und-Glück-Botschaft: In der ersten menschlichen Mars-Kolonie herrscht üble Stimmung, weil das entsprechende Raumfahrtprogramm unten auf der Erde gestoppt wurde, die Leute auf dem Planeten festsitzen und Depression ausbricht. Eine künstlich befruchtete Mitbewohnerin soll Punkt Mitternacht an Heiligabend das erste echte Mars-Kind gebären, weshalb ein Weltraum-Major (Steven Drozd in der Hauptrolle) ein standesgemäßes Weihnachtsfest organisiert, um die suizidale Atmosphäre zu durchbrechen. Der Weihnachtsmann hat sich freilich schon umgebracht, im richtigen Moment tritt jedoch ein freundlicher, weiser Original-Marsianer auf den Plan (gespielt von Coyne), der den richtigen Weg weist.

„Es ist sicher nicht so gedacht, daß die Leute sagen: ,0h, die Flaming Lips haben mal wieder was Verrücktes gemacht, da sind wir mal gespannt!'“, hat Steven Drozd in einem Interview gesagt. „Der Film ist hoffentlich gut genug, so daß es am Ende egal ist, ob ihn eine Rockband gedreht hat.“ Die wenigen Szenen, die der Trailer verrät, geben eine eher zweifelhafte Auskunft – die Kombination aus rudimentärer Kameraführung und höchstens semi-professioneller Schauspielerei erinnern an die Werke des unverstandenen C-Filmers Ed Wood. Selbstverständlich betreibt die Band das alles nicht als offensichtliches Spaßprojekt, sondern mit der gewohnten Ernsthaftigkeit. Mehrere Stunden Soundtrack sind fertig produziert, und möglicherweise wird der endgültige Film mehr sein als ein reiner Kult-Gag.

Die Veröffentlichung ist jedenfalls als Happening geplant: Noch vor dem DVD-Release soll „Christmas On Mars“ auf Tournee gehen, in Rock-Clubs auf Großleinwand gezeigt werden, während die Tonspur in Konzertlautstärke durch die Anlage dröhnt und Schneemaschinen das Publikum berieseln. „Die Leute sollen Bier trinken, Zigaretten rauchen und sich gut amüsieren“, sagt Wayne Coyne.

Am liebsten wäre es ihm sicher, wenn trotzdem die eine oder andere Träne fließt.

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