Der Kontrakt mit der Zeichnerin

Mit der ehemaligen Kunststudentin Alfreda Benge führt Robert Wyatt seit über 35 Jahren eine kreative Lebensgemeinschaft

Das ist gut, dass du auch mit ihr sprichst“, sagte Robert Wyatt vor meinem Interview mit seiner Frau Alfreda “ Alfie“ Benge. „Sie ist die dunkle Seite dieses Mondes. Jedenfalls ist sie der Ernsthaftere von uns beiden, nun, es braucht zwei zum Tango tanzen.“‚ Die beiden lernten sich 1971 bei einem Matching Mole-Konzert kennen und kurz darauf bei einem Kinks-Konzert lieben. Vorgestellt hatte sie einander Wyatts erste Frau Pam, die zu der Zeit schon mit dem gemeinsamen Sohn Sam beim Gong-Schlagzeuger Pip Pyle lebte. Benge hatte Ende der Fünfziger den Jazz für sich entdeckt und ist sich sicher, dass Wyatt zu Beginn ihrer Beziehung mindestens genauso sehr an ihrer Plattensammlung interessiert war wie an ihr.

Benge, Tochter eines österreichischen Grenzsoldaten und eines polnischen Mädchens, war nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, einem englischen Soldaten, nach London gegangen und hatte dort Ende der 50er Jahre begonnen, Kunst und Film zu studieren. Als sie Wyatt kennenlernte, stand sie kurz vor ihrem ersten größeren Job als zweite Schnittassistentin für Nicholas Roegs „Don’t Look Now“. „Ich wusste, dass ich Robert verlieren würde, wenn ich ohne ihn zu den Dreharbeiten nach Venedig fahren würde“, erzählt sie. Also bot sie ihrem Freund an, mitzukommen und kaufte ihm ein kleines Keyboard, damit er tagsüber beschäftigt war. Als die beiden nach England zurückkamen, wollte Benge in England weiter beim Film arbeiten, doch nach Wyatts Unfall gab sie ihren Job auf. „Ist mir nicht besonders schwer gefallen'“, sagt sie heute. „Die Filmindustrie hat nichts mit dem Filmemachen zu tun, wie man es an der Filmhochschule lernt. Als ich sah. wie Nicolas Roeg von den Geldgebern unter Druck gesetzt wurde, merkte ich, dass ich nicht die Kraft habe, es dort zu etwas zu bringen.“

Wyatt bot ihr an. das Cover für sein nächstes Album „Rock Bottom“ zu entwerfen – und so begann sie sich wieder stärker für die Malerei zu interessieren. Auf dem“.Rock Bottom“-Stück „Alifie“ – einem Wortspiel mit den Worten „alife“ und „Alfie“ – singt Benge sogar mit. „Er sang,Alifie my larder‘. Und ich war sehr betrunken und sagte: „Ich bin keine Speisekammer. Darauf will ich dann aber schon antworten.“ Also schrieb ich ein paar Zeilen für den Song und sang sie dann auch.“

Schon auf Matching Moles „Little Red Record“ war erstmals ihre Stimme zu hören gewesen, doch als Sängerin tauge sie nicht, meint sie. „Ich trage gern ein paar Geräusche bei, von denen man nicht weiß, dass sie von mir sind. Auf allen Alben ist was von mir drauf. Einmal spielte er mir eine Aufnahme von sich am Keyboard vor und ich sagte: ,Da fehlt ein bisschen von diesem Summen, diesem ssssssss.“ Und er sagte: „Okay, geh in den Aufnahmeraum.‘ Und ich mache: ,Ssssss‘. Jeder denkt, das wäre das Keyboard, aber das bin ich.“

Benge hat seit „Rock Bottom“ alle Albumcover für ihren Mann entworfen, und auf „Dondestan“ vertonte er erstmals einige ihrer Gedichte, die sie unter dem Titel „Out Of Season“ über ihren gemeinsamen Winteraufenthalt in Spanien geschrieben hatte. „Auf ,Shleep‘ hat er auch einige davon verwendet“, so Benge, „aber bei dem Stück ,Alien‘ sagte er zum ersten Mal: .Hier ist die Musik, schreib einen Text dazu.‘ Das hat mir wirklich Spaß gemacht, und ich sagte, mehr davon.“

Auf dem nächsten Album, „Cuckcooland“schrieb sie an fünf Stücken mit, eines davon – „Lullallop“ – ist sogar ganz von ihr. „Texten ist meine liebste Beschäftigung“, sagt sie. „Es macht mir mehr Spaß als die Malerei, weil man nie vor einer leeren Leinwand steht. Alles, was man tun muss, ist zuhören und sich etwas ausdenken. Außerdem kann man es im Liegen tun und man muss keine Pinsel auswaschen.“

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