Der Leuchtturm in der Wüste – Gute Americana, wenig Grenzverkehr bei Crossing Border

Man muss viel trainiert haben, bei großen Festivals mit drei, vier Bühnen, um beim Amsterdamer „Crossing Border“-Wochenende nicht zu versagen. Hier spielen so viele Bands gleichzeitig, dass es kein Wunder wäre, wenn man am Ende keine einzige gehört hat. Natacha Atlas im Paradiso? Da seien sie eben kurz gewesen, informieren sich die Passantengruppen gegenseitig, das sei so eine sonderbare Bauchtänzerin – man einigt sich, lieber umzudrehen und zu versuchen, im Melkweg-Club noch den Schluss von Gorky’s Zygotic Mynci zu erwischen. Es darf auf keinen Fall langweilig sein in den wenigen, wertvollen Stunden.

Das Konzept erinnert an die Happenings, mit denen die Kulturämter deutscher Kleinstädte ihre Fußgängerzonen wiederbeleben: Die Karte gilt für zehn Konzertsäle in sechs Hallen, die in Fußmarsch-Entfernung zueinander liegen. Die Einlass-Warteschlangen sind kürzer als angekündigt, das Programm ist exquisit: am Freitag unter anderem Eels, Mercury Rev und David Byrne, am Samstag Terry Callier, Solex, Jim White. Pop jazz, Folk und Weltmusik sind allerdings so zielgruppengerecht an bestimmten Orten kompiliert, dass die im Motto beschworene Grenzüberschreitung nur stattfindet, wenn einer in den falschen Saal tappt.

So ein Abend kann also auch helfen, alte „Vorurteile wieder richtig mit Fleisch zu füllen. Im Brit-Pop-Areal des Melkweg sind die sechs Mageren der Agit-Brigade Cooper Temple Clause schon beim dritten Song drauf und dran, die Sturmgitarren zu zerschlagen, dann kommen Elbow mit ihren Diaprojektoren. Dafür hat Howe Gelb im Bellevue die bestmögliche Giant Sand-Besetzung dabei, die Calexicos und ein kleines Kammer-Ensemble. Die verschlurfen nichts, die spielen gestochen und herzzerreißend scharf. Gelb singt „Wayfaring Stranger“ wie der Leuchtturmwärter über der Wüste und sagt mit einer Swing-Improvisation gute Nacht.

Der „Stranger“-Song kommt noch einmal, im Theater Stadsschouwburg, a capella zur Stuckdecke gerufen von 16 Horsepower-Sänger David Eugene Edwards. Die derzeitige Band-Pause gibt ihm Zeit für das Duo Woven Hand mit dem Freund Daniel McMahon, das hier zum zweiten Mal überhaupt auftritt und einige Horsepower-Stücke so spielt, wie viele sie lieber mögen: ohne Pferdestärken, fragil, nah an der Substanz. Edwards‘ neue Songs klingen noch spiritueller und schweben dort, wo es eh keine Grenzsteine gibt Ein magischer Ausklang.

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