Der Sommer war kurz

Es ging voran, wohin auch immer: Als Fehlfarben den Schritt vom Punk zum Groove gingen, blitzten ganz plötzlich ungeahnte Möglichkeiten auf.

Wir hatten so an unserer Limo genuckelt und mit dem Finger in der Nase gebohrt, die dämliche Diskothek im WDR gehört und gedacht, Blondie wäre Disco und Disco wäre das Gegenteil von Punk. Mit anderen Worten: Wir hatten keine Ahnung. Doch das Schicksal kam uns zu Hilfe. Als die New-Wave-Rakete gezündet wurde (dreistufig: l. Post-Punk, 2. Geisteskrankheit, 3. NDW), kam die Plattenfirma EMI auf die Idee, die Single „Ein Jahr (Es geht voran)“ von den Fehlfarben zu veröffentlichen. Zwei Jahre nach Erscheinen des Albums. Was für ein Glück für uns zu-spät-Geborene. Vor uns lag der sogenannte Pop-Sommer 1982, und diese Single wurde zu einem Meilenstein desselben. Genau wie das ganze Album „Monarchie und Alltag“, das man von nun an immer in jeder halbwegs coolen Kneipe hören konnte. Die Fehlfarben haben es geschafft, vollkommen auf der Höhe der Zeit diesen Schritt vom Punk-Rock zum Groove zu machen. Etwas mit entstehen zu lassen, anstatt den Trends hinterherlaufen zu müssen. Es war diese kurze Phase der Unschuld, in der aus Punk und New Wave Pop und Kommerz werden konnte, ohne daß das Augenzwinkern verloren ging, dieses: „Ich bin Punk, ich bin ein böses Mädchen, ich kann überall hingehen, sogar in die Charts.“

Das ging natürlich nur ganz kurz, einen Wimpernschlag der Geschichte lang gut. Zum Glück war uns das damals scheißegal, denn dieser Wimpernschlag reichte, um ein, zwei gute Parties zu feiern, und viel mehr konnte man eigentlich auch nicht verlangen von einem Sommer. Die Fehlfarben mußten sich natürlich auflösen, d.h. nicht auflösen, aber der Sänger mußte aussteigen, was in den Augen eines Fans fast dasselbe bedeutete. Wir hatten wohl immer noch nicht verstanden, was Punk war und warum sich echte Punkbands selbstverständlich auflösen, wenn mehr als hundert Leute zum Konzert zu kommen drohen, oder anders gesagt: das Ganze um Kommerzialisierung und Ausverkauf nicht mehr herumzukommen scheint. Außerdem waren wir auch noch ein Stück weit davon entfernt zu verstehen, was das Ganze mit Politik zu tun hatte und mit Hausbestzungen und so weiter. Das war ein längerer Lernprozeß, das raffte man nicht gleich. Klar war nur, daß die Jutetaschen doof waren und die Ostermärsche. Der ganze gebändigte, organisierte und gewaltfreie Spießerprotest, der später nur noch durch die Lichterketten überboten werden konnte. Das war so was von nicht wir, und das haben wir auch sofort gerafft.

Ich habe die Fehlfarben zum ersten Mal in der Zeit nach Peter Hein live gesehen, als Thomas Schwebel gesungen hat. Das war toll, und außerdem gab es ja Family 5, wenn man Janie hören wollte, und die alten Platten. Das schnelle Auflösen und Neugründen von Bands gehörte dazu zu dem Phänomen der neuen Musik. Dieser ganze Haufen von Düsseldorfern konnte sich – so war meine Wahrnehmung – ohnehin jederzeit neu durchmischen und neue tolle Bands hervorbringen (S.Y.P.H., DAF etc.). Ein herrlicher Spaß. Gelebte Anarchie. Ich besaß zu der Zeit noch keinen richtigen Plattenspieler, nur ein Tapedeck von Technics -Hehlerware. Das erleichterte mir das Anschaffen einiger dieser Platten durch Überspielen. Außerdem brauchte ich es, um die wöchentliche John-Peel-Show aufzunehmen. Trotzdem habe ich mir die „Glut und Asche“ noch als LP gekauft und geliebt.

Kurze Zeit später war natürlich wieder alles vorbei. Man düste im Sauseschritt, der Sonderzug fuhr staatstragend nach Pankow. Ich muß es gestehen, wir wollten nicht mit. wir hatten unser Surf brett aus der Welle gezogen und waren vom fahrenden Zug gesprungen. Das „Wir“ löste sich auf. Es war eine Niederlage, nur eine von vielen, und wir gingen wie immer gestärkt und enttäuscht daraus hervor. Was wir daraus gelernt haben? Na, so dies und das.

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