Der Tag des Massakers: Wie die Gewalt über ein friedliches Musikfestival hereinbrach

Eine erschütternde Ausstellung in Berlin dokumentiert das Massaker der Hamas-Terroristen an feiernden Festivalbesuchern. Die Bilder und Eindrücke wirken lange nach – und doch erlaubt ihr Motto einen Funken Hoffnung: „We will dance again“.

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Eben haben sie noch getanzt. Eben waren ihre lachenden Gesichter, ihre rudernden Arme, ihre durch die Luft gleitenden Hände zu sehen. Eben noch war Musik.

Doch am Morgen des 7. Oktober, um 6.29 Uhr, steht die Musik plötzlich still. In einem Video ist zu sehen, wie zwei der Veranstalter des Nova Festivals in Israel zu dem DJ auf die Bühne treten und ihm zurufen, er solle die Musik ausmachen.

Dann sieht man Menschen, die um ihr Leben rennen. Wir sehen mit Kalaschnikows bewaffnete Männer, sie rufen „Gott ist groß“ und schießen auf die Flüchtenden. Wir sehen ein Auto, dass beschossen wird, bis es stehenbleibt. Wir sehen vermummte Männer, die auf Toilettenhäuschen schießen, in denen sich Menschen verstecken, Männer, die Handgranaten in winzige Luftschutzbunker werfen, in denen Menschen kauern.

Die durchlöcherten Kabinen stehen in der „Nova Exhibition“ neben einem Videoscreen, auf dem die furchtbaren Handyvideos in Endlosschleife laufen. Auch die kleinen Bunker stehen als Nachbauten in der früheren Eingangshalle des Flughafen Tempelhof. Wir können sie betreten. Sie sind Teil einer Ausstellung über das Massaker, das Hamas-Terroristen vor zwei Jahren unter den 3500 Besuchern eines Trance-Festivals in der Negev-Wüste, unweit des Gazastreifens verübten.

Wir hören Schüsse, Schreie

Die Ausstellung, die noch bis zum 16. November in Berlin zu sehen ist, trägt das Motto „We will dance again“ in ihrem Eingangsbanner. Und Omri Sassi, der am Tag vor der offiziellen Eröffnung mit ROLLING STONE spricht, sagt: „Ich glaube noch immer, dass Musik eine heilende Kraft ist. Auch nach allem, was geschah.“

Omri Sassi ist DJ und Mitbegründer des Nova Festivals. Und ein Überlebender des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023. Er konnte sich retten und leidet bis heute unter dem Trauma. 411 Festivalbesucher werden damals ermordet, Hunderte verletzt, 43 gewaltsam von der Hamas nach Gaza verschleppt.

„Ich glaube an die heilende Kraft der Musik“, sagt ein DJ, der überlebt hat

Die Ausstellung, die zuvor bereits in Tel Aviv, New York und Buenos Aires zu sehen war, ist bedrückend. Auch wer weiß, was am 7. Oktober geschehen ist, wer von den Morden, Verstümmelungen, Vergewaltigungen der Hamas-Terroristen gelesen hat, wird von der Präsenz dieser monströsen Verbrechen überwältigt. Und es sind nicht allein die Videos, in denen zu sehen ist, wie die schwer misshandelte, 22-jährige Festivalbesucherin Shani Louk auf der Ladefläche eines Pickup von Hamas-Männern (es sind alles Männer) in einer Art Triumphzug durch die Straßen gefahren und von Zuschauern angespuckt wird. Oder die Hamas-Männer, die damit protzen, wie viele Menschen sie getötet haben. Oder Noa Kalesh, die sich vor den Hamas-Männern versteckt, die auf dem Boden unter einem Gebüsch kauert und sich dabei filmt. Wir hören Schüsse, Schreie, wir hören sie sagen: „Ich will, dass es erhalten bleibt.“

Dutzende von Schuhen, Dutzende von Rucksäcken, Dutzende von Jeans

Es sind auch die Zelte, Campingstühle, Schuhe, Wäsche, Kochgeschirre, Tarotkarten, Handyhüllen, Basecaps, Sonnenhüte, die ausgebrannte Autos, die überall in der Gespensterlandschaft der Ausstellung herumliegen, herumstehen, so als seien sie eben erst zurückgelassen worden. Alle Exponate stammen tatsächlich vom Festivalgelände, erklärt Kuratorin Reut Feingold.

Entlang der Wände im hinteren Teil der Halle hängen die Fotos aller beim Nova Festival ermordeten und verschleppten Besucher. Kerzen stehen davor. In der Mitte des Raumes lange Tische auf denen Dutzende von Schuhen liegen, Dutzende von Rucksäcken, Dutzende von Jeans. Überbleibsel des Massakers. Das eindrücklichste Bild in der Tempelhofer Ausstellung. Niemand muss explizit erwähnen, an was dieses Bild erinnert.

Aber auch eine Videosequenz bleibt besonders im Gedächtnis: In dieser Sequenz sind Hamas-Terroristen zu sehen, die einen Mann gefangen haben und ihn zur Rede stellen. Er ist offenbar kein Jude. Was er hier mache, wollen sie wissen. Er sei Palästinenser und bloß der Busfahrer, sagt er. Und rettet damit wohl sein Leben.

Die brutale Absurdität dieser Szene macht fassungslos.

Gaza ist allgegenwärtig: „Wir wollen alle, dass dieser Krieg endlich endet“

Am Tag vor der Ausstellungseröffnung, als Medienvertreter zur Pressevorbesichtigung eingeladen sind, wirkt der Flughafen Tempelhof wie verlassen. Keine Free-Palestine-Demonstranten, keine Banner, keine Aufrechnungen und Anfeindungen, kein Hass, keine Transparente. Nur eines: „We will dance again“. Auch wenn der verheerende, grausame Krieg in Gaza nicht wegzudenken ist, verheißt dieses trotzige Motto ein Fünkchen Hoffnung. An diesem Ort geht es um die Opfer des Terrorangriffs vom 7. Oktober. Und doch geht es auch um das Morgen.

Omri Sassi steht im Halbdunkel der Halle. „Ich hoffe auf Frieden, ich hoffe auf die Heimkehr der Geiseln“, sagt er. „Sie sehen keine Flaggen in dieser Ausstellung, denn es geht einzig um die Menschen.“ Und dann sagt er noch: „Wir wollen alle, dass dieser Krieg endlich endet.“

Nova Exhibition