Der Übervater

Jagger, Dylan, Dean - Ramblin' Jack Elliott ist der Cowboy, der überall dabei war, aber kaum einen Song schrieb

Für einen, der in all den 75 Lebensjahren so wenige Songs geschrieben hat – Ramblin Jack Elliott selbst hat „vielleicht fünf“ notiert -, hat er verdammt viel Einfluss gehabt. Und ist dabei in der öffentlichen Wahrnehmung doch immer der Unbekannteste der großen Katalysatoren geblieben. Die „großen Bekannten“, sie kennen ihn alle, den gebürtigen New Yorker, der nach einem heißen Rodeo-Ritt von Gene Autry im Madison Square Garden schon mit 14 als Cowboy unterwegs war. Fragen Sie Dylan, der in ihm gleich seinen „long-lost father“ sah. Fragen Sie McCartney, der Elliotts „San Francisco Bay Blues“ im frühen Repertoire hatte. Fragen Sie Jagger, der sich seine erste Gitarre kaufte, nachdem er Elliott als Straßenmusiker auf dem Bahnsteig in London sah. James Dean, dessen Ex er zur Frau nahm, können Sie nicht mehr tragen. Ins Vorprogramm von Bluegrass-Ikone Ralph Stanley und in das von The Velvet Underground und in das der „Only You“-Platters (in Italien!) – das schaffte damals nur Ramblin‘ Jack Elliott.

Im Mai 2006 ist er wieder in London, das heute „nach Regen aussieht“, aber für ihn immer eine Sonne sein wird, war doch die britische Metropole im September 1955 die erste Stadt bei seinem ersten Europa-Besuch. Und dann feierten sie ihn, den „wanna-be troubadour“, auch noch binnen einer Woche als „instant success“. Später riss er mit seiner Frau 20 000 Meilen auf einem Vespa-Roller ab, nachdem der geplante Fahrrad-Törn – das Tandem war schon gekauft – noch der kühlen Witterung zum Opfer fallen musste. Wer nur fünf Minuten mit ihm spricht, ahnt nicht nur, wie und warum Ramblin’Jack Elliott diese stille Größe erlangen konnte. Der Mann ist ein Erzähler vor dem Herrn, eine einzige Schnurre, eine gigantische Geschichten- und Erinnerungsmaschine. Ob das alles immer stimmt? Es klingt jedenfalls so. Einmal in Schwung, ist Elliott immer schon auf dem Sprung zur nächsten Anekdote, zur nächsten Aufzählung (eine Spezialität: die P-Flotte der deutschen Marine!), zur unvermeidlichen, aber köstlichen Dylan-Imitation. Elvis kann er aber auch ganz gut. „You ain’t nothin‘ but a hound dog… Ich hörte das zum ersten Mal in Deutschland, 1956, und dachte: Wer, verdammt, ist das? Der imitiert ja nur schwarze Blues-Sänger! Konnte ich nicht leiden. Wahrscheinlich Eifersucht. Wir mussten damals ja noch für Hamburger singen. Und die Frauen der US-Soldaten hielten uns für eine Schande – bis auf eine, die gleich fünf Dollar in den Hut warf.“

Fürs neue Album „1 Stand Alone“ ist vor allem Tochter Aiyana verantwortlich, die ihren Alten fragte, ob er nicht ein paar alte Songs auf Lager hätte, die sie noch nicht kenne. Kein Problem für Daddy, der aus dem Stand aus Songs über Billy The Kid zitiert, die nicht mal Robert Earl Keen geläufig sind, oder anderen Kollegen, die selbst über die mythische Westernfigur geschrieben haben. Und dann fragte sie: Daddy, warum singst du diese Songs nicht in deinen Shows? Ich sagte: Die sind nichts für Touristen. Und sie sagte, das sei doch ein richtig guter Titel fürs Album, und ich fragte nur: Welches Album? Tja, und ein paar Tage später stand ich schon im Studio von Beach Boys-Bassist Al Jardine und sang diese alten Songs in ein Mikrofon.“ Nachträglich begleitet von einem anderen Bassisten, Flea von den Red Hot Chili Peppers. „Wer? Wie heißt der? Oh, das wusste ich gar nicht. Die Kommunikation zwischen mir und diesen Leuten in L.A. ist nicht so gut.“

Er muss ja auch nicht gleich mit jedem reden. Zu viele Geschichten zu erzählen, da kann man sich ja schließlich nicht auch noch um den alltäglichen Kleinkram kümmern.

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