Der Wahl-Afrikaner

Er liebt Genesis und The Who, als Junge übte er mit der Gitarre Jimi-Hendrix-Posen vor dem Spiegel, vor allem aber mag Puma-Chef Jochen Zeitz afrikanische Musik. Warum nur? Von Rainer Schmidt · Foto von Frank Bauer

Die Fußball-WM in Südafrika ist für Jochen Zeitz (47) fast so etwas wie ein Heimspiel: Seit Jahren bereist er Afrika, spricht Suaheli, hat eine Farm in Kenia – und seine Firma Puma stattet mehrere afrikanische Teams aus. Der Mannheimer machte einst mit 30 Jahren als jüngster deutscher Vorstandsvorsitzender aus der kränkelnden Marke ein erfolgreiches Sport- und Lifestylunternehmen, heute treibt ihn verstärkt das Thema Nachhaltigkeit um. In der CO2-neutralen Firmenzentrale in Herzogenaurach kommen ihm die Namen afrikanischer Musiker zwar locker über die Lippen, eine Vuvuzela besitzt er allerdings nicht, besser: nicht mehr. Egal.

Herr Zeitz, was fasziniert Sie so an Afrika?

Ich bin sehr viel in der Welt herumgekommen und war ein Jahrzehnt lang intensiv in Asien unterwegs. Irgendwann bin ich auf dem afrikanischen Kontinent gelandet und war sofort begeistert von der Atmosphäre, den Menschen, vor allem auch von der oft noch unberührten Natur. Ich hatte das Gefühl, dort mehr als irgendwo anders mein Tempo etwas zu drosseln und im Hier und Jetzt leben zu können, nicht immer nur an die Zukunft und das Weiterlaufen denken zu müssen. Das begeistert mich.

Ihre Suaheli-Kenntnisse sind legendär. Wie gut sind die wirklich?

Eine normale Unterhaltung bekomme ich schon hin, auch wenn ich das in letzter Zeit etwas habe schleifen lassen. Beim Lesen wird es schon deutlich schwieriger. Die „FAZ“ auf Suaheli wäre eine große Herausforderung, die „Bild“ dagegen ginge vielleicht noch.

Angeblich haben Sie die Sprache auf dem Weg ins Büro gelernt …

Das stimmt. Für den ersten Grundstock habe ich ungefähr sechs Monate gebraucht. Dafür habe ich Cassetten oder CDs auf Englisch und Suaheli gehört – auf Deutsch gibt es ja keine Kurse. Das muss man sich wie im Sprachlabor in der Schule oder an der Uni vorstellen: zuhören, nachsprechen, Fragen beantworten.

Welche Musik hören Sie in Afrika?

Am meisten sprechen mich Oumou Sangare, Baaba Maal und Amadou & Mariam, ein Duo aus Mali, an. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir diese nicht ganz einfache Musik erarbeitet hatte, heute ist sie ein fester Bestandteil meines Lebens.

… den Sie auch unterstützen …

Ja, im vergangenen Jahr hatten wir im Rahmen von puma.creative eine große Kooperation mit Afrika Express – gegründet vom Blur-Sänger Damon Albarn – für das Konzert in Paris. Das war ein großer Erfolg, deshalb setzen wir das dieses Jahr fort. Das Interesse an afrikanischer Musik ist erstaunlich groß und wird durch die WM wahrscheinlich noch größer. Das hilft dem Kontinent – und freut mich sehr.

Haben Sie sich für die WM eine Vuvuzela besorgt, das südafrikanische Blasinstrument?

Ich hatte tatsächlich mal eine, die habe ich aber zwischenzeitlich verschenkt, da muss ich also passen … (lacht)

Dann wenden wir uns lieber Ihren musikalischen Anfängen zu: Welches waren Ihre ersten Platten?

Das muss etwas von The Who oder Jethro Tull gewesen sein. Ich habe meine Plattensammlung leider irgendwann mal verschenkt, deswegen kann ich das nicht mehr genau überprüfen. Darunter waren aber auch Werke von Santana, sowie die frühen Scorpions und UFO – was einen als jungen Gitarristen eben so interessiert hat.

Sie haben Gitarre gespielt?

Ja, klassisch und natürlich E-Gitarre. Wir hatten sogar eine Band, mit der wir ab und zu bei Schulfesten und ähnlichen Veranstaltungen aufgetreten sind. Leider habe ich mit dem Gitarrenspielen irgendwann aufgehört, was im Nachhinein eines der wenigen Dinge ist, die ich sehr bedauere.

Wer waren Ihre Vorbilder?

Selbstverständlich Carlos Santana und auch Jimi Hendrix, beide haben mich sehr fasziniert. Diese Pose mit der Gitarre hinterm Kopf, das musste man als ernstzunehmender Gitarrist logischerweise auch mal ausprobiert haben. Ich habe meine Gitarre allerdings nie zerschlagen oder verbrannt.

Wer beeindruckt Sie heute?

Es gibt viele sehr gute Musiker, aber ich bin schon eher der Klassiker, der gerne hört, was ihm schon früher gut gefallen hat. Der Rock’n’Roll von damals wird nie vergehen. Ich finde es klasse, dass Gruppen wie die Stones und The Who weiterhin auf Tour sind, das gehört für mich zur lebendigen Geschichte dieser Musik unbedingt dazu. Ich mag allerdings, wie gesagt, auch afrikanischen Musik.

Kraft Ihres Alters haben Sie die Neue Deutsche Welle und Punk aktiv verfolgen können – wie standen Sie dazu?

Figuren wie Nina Hagen und andere haben mich interessiert, ich war regelmäßig auf den unterschiedlichsten Konzerten. Aber unabhängig davon war ich durchgängig immer Genesis-Fan, schon als Peter Gabriel noch dabei war. Ich war damals sehr betrübt, als er aufhörte, wobei ich später dachte, dass Phil Collins eigentlich noch besser war. Peter Gabriel habe ich einmal kennengelernt – und sogar heute noch ab und zu Kontakt zu ihm.

Kaufen Sie noch Platten?

Nein, meistens kaufe ich die Musik online, auch wenn ich noch einen CD-Player besitze, aber im Prinzip downloade ich alles. Notebook an und einklinken, wo immer ich gerade auf meinen Reisen bin, das empfinde ich als enorm praktisch.

Ihr letzter Download?

Das waren die Alben von Baaba Maal und Oumou Sangare.

Puma hat unter anderem über Usain Bolt, den schnellsten Mann der Welt, eine enge Verbindung zu Jamaika. Hat Sie das Reggae-Virus schon befallen?

Ich habe kürzlich ein paar Freunde gefragt, welcher Musiker einem nie langweilig wird, alle haben Bob Marley unter den ersten drei genannt. Das freut mich, weil ich den auch immer gut fand. Da ich regelmäßig in Jamaika bin, beschäftige ich mich automatisch wieder mehr mit Reggae. Kürzlich habe ich dort ein paar wichtige Nachwuchswettkämpfe der jamaikanischen Schulen besucht. Bei der Gelegenheit habe ich die Reggae-Legende Jimmy Cliff getroffen, ein Kaliber wie Bob Marley. Cliff ist gerade in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen worden, zu Recht, wie ich finde.

Gehen Sie auf Jamaika auch zu Konzerten oder ins wilde Nachtleben?

Eher nicht, das lässt die Zeit meistens nicht zu.

Man wird Sie dort also nicht mit einem Joint in der Hand vor einer Bühne antreffen?

Ganz sicher nicht.

Welche Bedeutung hat Musik für eine Marke wie Puma?

Sie ist enorm wichtig. Sport und Lifestyle mischen sich ständig, Kultur manifestiert sich durch Sport genau so wie durch Musik. Das drückt sich in unseren Kampagnen aus, aber auch durch die Athleten, mit denen wir zusammen arbeiten. Das perfekte Beispiel ist Usain Bolt, der wie viele jamaikanische Sportler ein echter Musikverrückter ist. Und ein super DJ.

Wählen Sie die Musik für Kampagnen selbst aus?

Nein, das macht ein Team, das viel näher an der Zielgruppe dran ist als ich. Unser Head of Marketing hat früher einen Musikstore in Boston geleitet, der muss die Auswahl verantworten. Ich höre mir das auch an, aber letztlich vertraue ich da der Kompetenz unserer Experten. Sonst liefe ich ja noch Gefahr, immer wieder mit The Who oder Jethro Tull zu kommen …

Sie haben ein großes Anwesen in Kenia – was genau passiert dort?

Auf der Farm arbeiten 140 Menschen, zu einem Teil in der Rinderzucht, zudem wollen wir ab nächstes Jahr auch im Tourismus aktiv werden. Ich investiere dort in das Land gemäß der vier so genannten Cs, die für alle Projekte meiner Zeitz-Stiftung unter dem Motto „The Long Run“ gelten: Community, Culture, Commerce und Conservation. Aus meiner Sicht müssen Natur- und Umweltschutz mit den Interessen der lokalen Bevölkerung, deren Kultur sowie kommerziellen Aspekten im Einklang stehen.

Gibt es solche Stiftungsprojekte nur in Afrika?

Nein, die finden Sie weltweit, etwa in Costa Rica, Brasilien, Neuseeland aber auch Schweden oder eben Afrika. Da machen die unterschiedlichsten Leute mit. Usain Bolt ist beispielsweise unser Sportbotschafter, das kenianische Duo Amadou & Mariam fungiert als unsere Kulturbotschafter.

Und wie sieht so ein ökologisch korrektes Anwesen aus?

Da gehört eine ganze Menge dazu. Ein paar Beispiele: In Kenia produzieren wir den gesamten Strom nur noch per Solaranlagen und Windkraft. Lediglich die Fahrzeuge und ein für Notfälle bereitstehender Aggregator laufen mit Benzin oder Diesel. Regenwasser wird konsequent aufgefangen und die Natur umfassend geschützt. Die lokale Bevölkerung unterstützt das und ist sehr interessiert an unseren Projekten, in die sie einbezogen sind und die lokal auch Arbeitsplätze schaffen.

Puma bezieht unter den Bedingungen des Fair Trade extra Baumwolle aus Afrika, allerdings nur in kleinen Mengen …

Das bewegt sich im einstelligen Prozentbereich und ist ein kleiner Baustein, der zeigen soll: Wir meinen unser nachhaltiges Engagement in Afrika sehr ernst. Schließlich sind wir auf dem Kontinent schon seit vielen Jahren vertreten, und zwar nicht nur als Ausrüster, sondern auch in der Fußball-Entwicklungshilfe und mit dem Projekt „Cotton made in Africa“ auch in der Beschaffung. Wir wollen unsere gesamte Kollektion bis 2015 zur Hälfte mit organisch angebauter Baumwolle fertigen lassen, weil wir gesehen haben, dass bei dieser Produktion die Umwelt deutlich weniger belastet wird. Das Projekt „Cotton made in Africa“ fördert und unterstützt afrikanische Bauern darin, ihre Ernteerträge und die Qualität ihrer Baumwolle zu verbessern und verschafft ihnen damit Zugang zu den Weltmärkten.

Achten Sie persönlich auf ihren CO2-Verbrauch?

Ja, der ist für 2009 ausgerechnet und wird von mir ausgeglichen.

Und für das Unternehmen Puma?

Wir arbeiten daran, unseren kompletten CO2-Fußabdruck durch Projekte in Afrika auszugleichen, während wir den Energiebedarf bis 2015 um 25 Prozent reduzieren wollen. Unsere neue deutsche Konzernzentrale in Herzogenaurach ist als erster Firmensitz der Branche durch den Einbau modernster Umwelt-Technologien wie Photovoltaik-Kraftwerk und Solarmodule schon CO2-neutral gebaut worden. Auch der Strom kommt aus erneuerbaren Stromquellen, so dass wir praktisch keinen CO2-Fußabdruck in unserer Zentrale mehr haben.

Das machen Sie ja nicht nur, weil Sie so selbstlos sind, sondern weil Sie damit Geld verdienen wollen.

Ich glaube, das wird über kurz oder lang auch von unseren Kunden verlangt werden. Gemeinsam mit meinem Team will ich Puma zum weltweit begehrtesten, aber gleichzeitig auch nachhaltigsten Sportlifestyle-Unternehmen machen. Deswegen wollen wir im Bereich nachhaltiges Wirtschaften eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir vermeiden unnötige Transportwege, recyclen Materialien, verbrauchen weniger Wasser und wollen ein papierloses Unternehmen werden. Gleichzeitig haben wir als bekannte Marke weltweit die Chance, noch mehr Einfluss in Richtung Nachhaltigkeit zu nehmen. Unsere Kunden finden das sehr positiv und ermutigen uns dabei.

Jetzt noch die unvermeidlichen Fußballfragen. Sie rüsten ja mehrere afrikanische Teams aus – welches davon hat Ihrer Meinung nach die besten Chancen?

Unsere Teams haben alle sehr schwere Auslosungen bekommen, aber Elfenbeinküste und Ghana haben sicherlich die besten Aussichten, weiterzu- kommen.

Wer wird Weltmeister?

Dazu gebe ich keine Tipps mehr ab. Mit Italien hatte 2006 nämlich auch niemand gerechnet. Ich wünsche mir aber, dass eine der afrikanischen Mannschaften möglichst weit kommt, weil ich glaube, dass es für den ganzen Kontinent enorm wichtig wäre und weil der leidenschaftliche afrikanische Fußball ganz sicher die Fans in aller Welt begeistern wird.

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