Der Zauber der Insel

Die Konzertreihe Nordrid will isländische Bands jenseits von Björk und Sigur Rös bekannt machen. Helgi Jonsson ist gern dabei.

Dass Reykjavik mit den üblichen europäischen Hauptstädten nicht vergleichbar ist, merkt man schon am Flughafen. Die Hauptstadt ist so klein, dass der Taxifahrer weiß, welcher Pilot die „Iceland Express“-Maschine gerade hergebracht hat. Kaum gelandet, fährt man schon durch bizarre Lava-Landschaften und schließlich überlaufene Straßen.

Offensichtlich befindet sich halb Island am Wochenende in der kleinen Innenstadt von Reykjavik, um Schnaps und Bier zu trinken – und Musik zu hören.

Sie trotzen der Finanzkrise, über die in Island natürlich jeder spricht. Die Stadthalle, die längst eröffnet werden sollte, wird jetzt wohl erst 2011 fertig, aber bei all den kleinen Kaffeebars, Restaurants und Kneipen wird so ein Prestige-Bau gar nicht gebraucht. Es ist auch kein Starbucks, kein McDonald’s in Sicht. Alles ist so entspannt, selbst die Betrunkenen schwanken freundlicher als anderswo (wenn es nicht Briten sind).

Im Rockclub „Sodoma“ wird nun hier die Konzertreihe „Nordrid“ gefeiert -Bands jenseits von Björk und Sigur Rös sollen dadurch auch im europäischen Ausland bekannt gemacht werden. Ende November wird Helgi Hrafn Jonsson im „Nordrid“-Rahmen durch Deutschland touren. Der Songschreiber hat acht Jahre in Österreich gelebt, bevor er vor kurzem wieder nach Island zurückkehrte, weshalb er zur Begrüßung einen überraschenden Dialekt an den Tag legt: „Seid’s es olle aus Berlin?“, will er wissen. In Wien schätzte er die große „Infrastruktur an Freunden und Kollegen“, stellte dann aber fest, dass es ihm „fast zu gut“ ging, um eine Karriere auf die Beine zu stellen. Tatsächlich passt sein verspielter Pop ja auch besser in dieses Land, in dem offensichtlich keiner viel von festgelegten Strukturen hält. Warum das so ist, weiß Helgi allerdings selbst nicht so genau: „Das Wetter und der Lichtentzug im Winter werden wohl aber schon etwas beitragen. Ich meine, was macht man, wenn’s am Tag 21 Stunden finster ist?

Sich langsam bewegende Musik kann sich dabei wunderbar entwickeln.“ Auf seinem neuen Album „For The Rest Of My Childhood“ spielt er Posaune, Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug, tubular bells, Glockenspiel, diverse Keyboards und Percussion – fragt dann aber doch neckisch: „Aber wann spielt man schon ein Instrument?“ Er probiert halt alles aus und hat wenig Angst vor Experimenten, weshalb er den Begriff „Singer/Songwriter“ nicht gerade schätzt: „Die Bezeichnung ist derartig auf den allein auf dem Barhocker sitzenden Typ mit der Gitarre, der Low-Key-Lieder runterspielt, reduziert. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber Tatsache ist, dass ich von ganz wo anders komme und ganz wo anders bin und ganz wo anders hin will.“

Um zu erfassen, wie anders das Leben in Island ist, wie weit weg von allem und wie archaisch auch, muss man gar nicht zu Geysiren und Wasserfällen fahren, auch nicht zur Blauen Lagune. Es reicht, den Duschhahn aufzudrehen: Das Wasser riecht hier überall nach Stinkbomben, wegen des Schwefelgehalts. Es ist unglaublich gesund, deshalb schwimmen die Isländer täglich in ihren Thermalbädern. Nichts anderes vermissen sie bei Auslandsaufenthalten mehr als ihre „pools“, erzählen etliche Leute – und sie bestätigen gern ein Klischee: dass hier keiner so recht die Existenz von Elfen anzweifeln will. Jeder kennt eine Geschichte, die darauf hindeutet, dass es sie gibt. Die beliebteste ist die mit Damon Albarn: Als der in Island ein Haus bauen wollte, ließ sich ein großer Stein einfach nicht wegsprengen. Dann wurde ein „Elfenflüsterer“ gerufen, der nach einer Woche Diskussion mit den Elfen vermeldet: Jetzt sind sie umgezogen, nun darf der Brocken entfernt werden. Und tatsächlich funktionierte das mit Dynamit nun problemlos.

Ein bisschen von dem Zauber, der in Island allgegenwärtig ist, bringen die „Nordrid‘-Musiker hoffentlich mit.

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