Der Zorn des Besiegten

Warum der Engländer so ist, wie er eben ist, erklärt am besten einer von ihnen. Etwa Robyn Hitchcock.

Einst verwirrte Robyn Hitchcock die Punks mit dem ironischen Namen seiner Band The Soft Boys, die verschmitzten Power-Pop in leichter Schräglage kredenzte. Auch sein neues Solo-Ibum, „Goodnight Oslo“, ist englischer Pop im allerbesten Sinne. Geprägt von einer Melancholie mit beinahe heiteren Untertönen, die so eigentlich nur von der Insel kommen kann. Was am landestypischen Fatalismus liegt, wie Robyn Hitchcock meint. vermischt wurden, erreichte dieser surreale, nonkonformistische Humor Bevölkerungsschichten, die sonst nie damit in Berührung Warum hat England so viel phantastische, innovative und oft so melancholische Musik hervorgebracht? Beatles-Songs, selbst wenn sie ihm nicht gefielen. Das ist heute anders. Ich nehme an, dass die Zahl der Menschen, die nie einen Man könnte sagen – wo Schmerz ist, ist Größe. Wir gebrauchen it England ja gern das deutsche Wort „Angst“, um einen allgemeiner Zustand der Verunsicherung und Selbstmarterung zu beschreiben. Irgendwo in dieser Gegend scheint das Problem unserer nationalen Psyche zu liegen. Richtig! Außerdem wurden in der Armee auch die Altersgrenzen verwischt. So sieht man in vielen Skiffle-Bands – übrigens auch Glauben Sie, dass diese „Angst“ im englischen Sinne etwas mit der Klassengesellschaft zu tun hat? Spektrum der Einflüsse erweitert. Gleiches gilt für die Art Schools.

Viele Studenten waren sechs, sieben Jahre älter als üblich, denn Darüber könnte man lang diskutieren. Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass wir auf einer Insel leben und von der Kirche in Rom abgeschnitten wurden. Oder damit, dass im Ersten Weltkrieg alle jungen Männer, die man sonst als Troublemaker in den Knast gesteckt hätte, in den Krieg geschickt wurden. Oder es liegt in jener Zeit begründet, in der die Pest so viele Priester dahinraffte, dass die Kirche Nachwuchs anheuern musste, der weder Latein noch Griechisch noch Französisch konnte – erst auf diese Art wurde das unterklassige Englisch salonfähig. All diese Traumata werden ihre Rolle gespielt haben. Vielleicht ist der Grund für unseren Fatalismus aber tatsächlich darin zu suchen, dass uns unsere Klassengesellschaft nun schon seit fast tausend Jahren ohne Unterbrechung beherrscht hat. Vielleicht ist es das – der Zorn des Besiegten. der bildenden Künste vermittelten, dabei aber vor allem auch den Bezug zur industriellen Praxis pflegen, um kommerziell gesinnte Die ganze Woche lang kuscht man, steckt ein, steht Schlange – und am Freitag bricht man aus. Francaise, deren Studenten sich als Teil der hohen Kunsttradition verstanden. In den Art Schools wusste man das schnelle Geld Der Theorie nach wenigstens. Ich halte mich selber für einen fatalistischen, defätistischen Menschen, und ich glaube nicht, dass da etwas mit meinem Familienhintergrund zu tun hat. Ich glaube, ekommt vor allem daher, dass ich eben ein Engländer bin. Qualitätsvorstellungen entsprach. Wenn sie einen Einfall hatten, dann schlugen sie zu, ohne einen Gedanken an die möglichen Englische Folk-Musik ist ja auch oft durchdrungen von einer unglaublichen Melancholie. Vielleicht hängt das mit der Landschaft zusammen, mit der rauen Einöde von Nordengland? stars in der britischen Gesellschaft?

Da kamen verschiedene Dinge zusammen. Es war eine Mischung Möglich, dass Zebras, Katzen und Crevetten auch eine Ahnung von ihrer Endlichkeit spüren. Aber der Mensch hat eben sein Bewusstsein. Wir haben Zeit, uns in unserer Welt einzuleben, Freundschaften zu schließen. Aber wir wissen, dass alles vorbei geht. Wir können das beste Leben haben, immer guten Kaffee trinken, nie was auf den Teppich fallen lassen, nie arbeitslos und immer glücklich verheiratet sein, wir können viele Orgasmen genießen, eine Menge sehr, sehr vernünftige Verwandte zur Familie zählen, den Nobelpreis gewinnen, immer gut riechen und durch die Nase atmen – all das wird vorbei gehen. Jede Kultur hat für dieses Gefühl der Endlichkeit ihre eigenen Lieder. Es wird uns bloß schwerer fallen, sie zu verstehen, wenn sie auf Chinesisch gesungen werden. Darin liegt für mich eine der großen Schönheiten der Musik. Sie hilft dir, dich mit deinem Schicksal zu versöhnen.

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