Die Anti-Twitterer

Jamie Hince und Alison Mosshart sind berühmt für ihren lässigen Glamour. Als The Kills spielen sie scheppernde, aufregende Rockmusik.

Sie schlendern über den breiten Bürgersteig der Karl-Liebknecht-Straße in einem von Berlins zahlreichen Zentren (das mit dem großen Turm). Die Kills lächeln, plaudern miteinander, schwingen in diesem – mit Verlaub – arschcoolen Gang, den man selbst auf den Fotos der „In Touch“ erahnen kann. „Alter, ist das nicht der Typ, der die Moss bumst?“, flüstert es von rechts von einer Horde Halbwüchsiger – vermutlich auf Klassenfahrt.

Es hätte dieses Kommentars nicht bedurft, um zu merken, das Alison Mosshart und ihren Kreativpartner Jamie Hince eine Aura der Prominenz umgibt – sei es auch eine giftige. Wobei Mosshart das Problem nicht so akut verfolgt wie Jamie Hince, dem man jede Woche in der Yellow Press dabei zuschauen kann, wie er mal wieder einen Paparazzo schubst. Wenn man die beiden wenig später begrüßt und merkt, wie nett und enthusiastisch sie sind, kann man sich ungefähr ausrechnen, wie unverschämt ein Fotograf auftreten muss, um vom netten, unablässig plappernden Hince hart angefasst zu werden.

Aber nun soll es eben mal nicht um prominente Lebenspartner gehen, oder um Duz-Freundschaften mit Jack White, denn die Kills sind und waren immer eines der spannendsten Duos, die die Pop-Welt in letzter Zeit hervorgebracht hat.

Und überhaupt, sagt Mosshart: „Ich fühle mich nicht, als wäre ich ein tabloid topic. Jamie ist leider eines, weil seine Freundin eines ist. Aber im Ernst: Wir ignorieren das komplett. Nach außen scheint es eine große Sache zu sein, aber für uns ist und war es nie ein Thema. Wir reden da nicht drüber, wir lesen den Scheiß nicht.“ Aber könnte man es nicht auch für sich selbst nutzen, wie es viele prominente und nicht so prominente Künstler heutzutage tun? „Das wird uns ständig geraten. Aber was soll das bringen? Ich kann einfach keinen positiven Effekt erkennen. Diese Art Ruhm ist nichts wert, ist schlecht, ist durch und durch negativ. Weil er den Fokus von dem nimmt, was dir am Herzen liegt – der Musik. Es gibt viele Leute, die Jamie kennen, aber keinen Schimmer haben, was für ein großartiger Musiker er ist. Manchmal regt ihn das tierisch auf, aber meist denken wir: ‚Die wissen gar nicht, was sie verpassen. Selber schuld! Ihr lest die falschen Zeitungen!'“

Da spricht sie Wahres, denn „Blood Pressures“ ist wieder einmal ein formidables Kills-Album geworden, das süchtig machende Hooklines mit düsterem Gitarrenschranz und allerlei Störgeräuschen zusammenbringt – selbst ein Ping-Pong-Ball kommt mehrfach als Percussions-Instrument zum Einsatz, etwa in dem Song „Nail In My Coffin“. Mosshart lacht, als man sie verwundert fragt, ob das sein könnte: „Ja, das ist ein Tischtennisball. Jamie hat sich das mal ausgedacht.“

Der letztgenannte Songtitel lässt es schon vermuten: Über diesen seltsam beschädigt klingenden Popsongs raunzt und maunzt und singt Mosshart wieder einmal zweifelnde Zeilen wie diese: „What you are to me/ Is far too unclear/ Could be a nail on my coffin/ And I don’t need another one.“ Wo das bloß herkommt? Sie lächelt fast schüchtern: „Ich weiß es selber nicht. Jedes Mal nehme ich mir vor, mal meinen Schreibprozess zu analysieren – und am Ende habe ich wieder solche Texte vor Augen.“

Ein Luftzug lässt zum wiederholten Mal die defekte Tür des Interviewraumes aufspringen. Mosshart steht auf, schreitet mit diesen langen bejeansten Beinen voran, nimmt sich einen Stuhl und verrammelt die Tür gleich ganz. Bei dieser Bewegung, die wie ein einziges Gleiten wirkt, kommt man nicht umhin, sich selbst und sie zu fragen, wo eigentlich diese natürliche Coolness herrührt, die Jamie Hince und ihr anhaften.

Sie winkt ab und setzt zu einem geradezu bescheidenen Monolog an: „Coolsein geht immer mit einer Aura der Einzigartigkeit einher. Jamie ist cool. Er ist vielleicht die coolste Person, die ich je in meinem Leben getroffen haben. Ob ich es bin, will und kann ich gar nicht beurteilen. Eine coole Person ist für mich jemand, dem man anmerkt, dass er sein eigenes Ding macht. Jemand, der in sich ruht und seinen eigenen Weg geht. Man wird nicht cool dadurch, dass man andere kopiert. Das funktioniert nicht.“

Sie zögert, streicht sich eine Strähne aus dem blassen Gesicht, schaut kurz auf das Sonnenlicht, das sich in ihrem Ring spiegelt, und fährt fort: „Überhaupt ist die Persönlichkeit meiner Meinung nach entscheidender als der Look. Wenn man etwas Geheimnisvolles an sich hat und nicht jeden Handgriff in die Welt twittert, wie es viele heute machen. Ich könnte jetzt hier ebenso sitzen und schreiben: ‚Oh, ich trinke gerade Kaffee.‘ Oder: ‚Oh, ich bin bald auf Seite acht des ROLLING STONE.‘ Ich hasse das. Dennoch ist es schwer in Worte zu fassen, was genau in mir das Gefühl auslöst, ich stünde vor einem coolen Menschen. Wer es hat, der hat es. Wer zwanghaft versucht, cool zu sein, wird immer als Poser dastehen. Ebenso darf man keine Angst davor haben, auch mal bescheuert auszusehen. Ich kenne Fotos von mir, bei denen ich so dermaßen bescheuert aussehe. Aber was soll’s? Überhaupt: Dieses Rockstar-Gehabe, unverschämt gegenüber anderen zu sein, mit Scheiße um sich zu schmeißen – das ist the bullshit idea of being cool. Das geht gar nicht.“

Nach einem Gespräch wie diesem muss man sein Bild der Kills völlig neu justieren. Das Coolkühle, Unnahbare, das man vermutet hätte, wenn man ihre Pressefotos anschaut, das Wilde, Ungezähmte, das vor allem Mosshart auf der Bühne herauslässt – all das wird nun von einer Euphorie für das eigene Schaffen und die tiefe Freundschaft der beiden überstrahlt. Wozu braucht es Glamour, wozu braucht es Coolness – es gibt ja die Kills.

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