Die Antwoord: Das Album „$O$“ des südafrikanischen Internetphänomens im Stream.

Die anrückende Fußball-WM in Südafrika sorgte dafür, dass man sich plötzlich die dortige Musiklandschaft anschaute. Hochgespült wurden dabei auch die schrillen Afrikaans-Rapper Die Antwoord.

„Bring that motherfuckin‘ shit!“. Und dazu ein gesprochenes: „utz utz utz utz utz utz“. Und später: „You Arrive At The Cemetery In Time For The Ceremony / I Give You A Hot Kiss, Grab Hold Of Your Arse Cheeks / How’d You Like To Get Laid On This / Tomb Stone In The Middle Of The Rain Forest / My Gaze Puts You In A Dase, I’m Loving Your Long Tongue.“ Und noch später: „Destructo / Ghan Odn Ar / Dbir Vahniss / Dgug Rgyud / Hgyur Bzan / Bhren Sseh Ehrsta Sugam / Satah!“ So geht’s zu im Song „Beat Boy“ der gerade zumindest im Netz gehypten Die Antwoord aus den Vororten Kapstadts. Wilde machoprollige Sex-Fantasien mischen sich mit drogenbefeuerten Hochgeschwindigkeitsreimen und münden in Cthulhu-Anbetungen. Und am Ende steht man ein wenig verwirrt da und rappt sich als Antwort auf das Antwoord-Treiben selbst die Gegenfrage ins Hirn: „What The Fuck?“

Aber der Reihe nach: Aufmerksam wurde man auf die seltsame Combo durch die im Netz recht kultisch empfohlenen Videos „Enter The Ninja“ und „Zef Side“, indem ein kurzes Interview mit der „Band“ in eine Kurze Version des oben zitierten Songs „Beat Boy“ übergeht. „The Zef Rap-Rave-Master Ninja“, „Fresh, futuristic rich bitch Yo-Landi Visser“ und „Beat Master DJ Hi-Tek“ nennen sich die Drei und stammen anscheinend aus den Vororten Kapstadts, wo sie ihre Leben nach den Dicke-Hosen-Geboten der White-Trash-Prolls ausgerichtet haben. Auch der dazugehörige Blick auf die Geschlechterrollen wird da mitgeliefert: Die blonde Sängerin ist mal die devot-dumme „Rich Bich“, mal – wie im Erfolgsvideo „Enter The Ninja“ – der Lolita-hafte „Butterfly“, den es zu beschützen gilt. Der Mann hat klar die (kurze) Hose an und schüttelt das Gehänge.

Die mal in Afrikaans, mal auf Englisch abgefeuerte Raps sind ein regelrechtes Maschinengewehrfeuer aus Korpulationsfantasien, Drogenhoheliedern, seltsamen Referenzquerschläger, wie die oben zitierten Cthulhu-Anbetungen, und einer Wiedergabe des angeblichen Lebens in den Vororten Kapstadts. Worte wie „angeblich“ und „anscheinend“ muss man oft benutzen, denn Die Antwoord zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie keine Antwort liefert – was neben all den Hipster-Blogs inzwischen auch die Medienkollegenschaft von FM 4 (übrigens auf sehr interessante Weise, wie man hier lesen kann) beschäftigt und auch jetzt.de nebst der Süddeutschen – um nur drei Beispiele zu nennen.

Das Rätselraten um die „Realness“ der Drei wird noch eine Weile weitergehen, denn der Zef Rap-Rave-Master Ninja – im bürgerlichen Leben Watkin Tudor Jones – weigert sich, sein Treiben als Rolle zu sehen und behauptet, er habe seine nachgewiesene Mittelklasse-Vergangenheit eingetauscht gegen ein Leben als „Zef“ – wie man Prolls in Südafrika nennt.

Aha. Aber es bleiben noch weitere Fragen offen. Zum Beispiel: Woher kommen so plötzlich die perfekt gefilmten Musikclips? Wie kann es sein, dass Marken wie Puma und Jägermeister so schnell auf einen Internethype wie diesen aufspringen? Was bedeutet das alles? Will es überhaupt etwas bedeuten?

Sich anzuschauen, was die Künstler dazu sagen, hilft auch nicht: Auf die Frage, was „Die Antwoord“ bedeute, sagt Ninja: „The answer“.
„The answer to what?“, fragt der Interviewer im Hintergrund.
„Whatever… fuck…“.

Das Verwirrspiel lenkt allerdings gerne vom eigentlichen Kern ab – nämlich der dazugehörigen Musik. Und die kann man sich nun auf der Website der Band anhören, wo nämlich das komplette – hierzulande noch nicht angekündigte – Album „$O$“ im Moment gestreamt wird. 16 Songs und Zwischenspiele, die laut Ninja „south african culture“ representen – was Miss Visser im Intro zur Platte allerdings gleich wieder mit einem nonchalanten „Whatever, Man“ quittiert.

Neben den oben bereits aufgezählten Soundmerkmalen schlägt einem vor allem auch der Keyboard-Beat-Brei auf den Magen, den Beat Master DJ Hi-Tek anscheinend an ausrangierten Computern anrührt. Auch die weibliche Gesangsparts nerven schnell mal, weil sie permanent digital entfremdet werden und dabei klingen, als hätte man Schlumpfine, die Damen von t.A.t.U und Lady Gaga gemeinsam ins Studio gesperrt. Live bekommt das Ganze dank abgehangener Dicke-Eier-Riffs noch einen faden 90er-Jahre-Crossover-Beigeschmack.

Dennoch erwischt man sich immer wieder dabei, dass einen genau diese Mischung perfekt unterhält – zum Beispiel bei „Enter The Ninja“, wo die Keyboards besonders düster dräuen und der trashig-niedliche Refrain sich als fieser Ohrwurm entpuppt. Ähnliches lässt sich bei „Rich Bitch“ beobachten – dessen Refrain sich vor allem dank des nicht uncharmanten Akzents ins Hirn gräbt. Auch „Dagga Puff“ fasziniert mit seinem Zusammenschnitt aus Kinderliedklängen und dem noch seltsam anmutenden Afrikaans-Zungenschlag.

Man wird und darf also gerne noch ein wenig weiterrätseln, was es mit Die Aantword auf sich hat. Dass man gerade auch in den nächsten Wochen noch viel von ihnen hören und lesen wird, steht auf jeden Fall außer Frage. Vielleicht haben sie ja sogar schon einen Deal in der Tasche, dass sie die offizielle Puma-Hymne der WM werden oder so ähnlich. Whatever Man…

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