Die Hölle, das sind die anderen

Rätselhafte Käuze auf dem Balkon, Melancholiker im Dienst: Die Krimi- Reihe "„Kommissar Beck" erschüttert den Glauben an alle Utopien.

In den Siebzigern ging die Mimi ohne die rororo-Taschenbücher von Maj Sjöwall und Per Wahlöö nicht ins Bett. Das schwedische Ehepaar schrieb zehn Romane um Kommissar Beck, die Naturalismus mit Gesellschafts-, ja Kapitalismuskritik verbinden. Keine Utopie, nirgends! Sjöwall und Wahlöö kleideten ihren hoffnungslosen Befund in die Form des Kriminalromans, um die wahrhaft defätistische Botschaft nicht zu brutal wirken zu lassen: Im Staat Schweden, dem Großexperiment der Sozialdemokratie, ist etwas faul. Und die beiden Autoren wollen ganz bestimmt keine sozialromantischen Verbesserungsvorschläge unterbreiten – ihr nordischer Fatalismus lässt nur immanente Lösungen zu. Der Tod ist keine Lösung, sagte Godard.

Im Gesicht von Peter Haber sieht man sehr schön die anhaltende Verblüffung über das Unheil auf der Welt. Zu Beginn der Reihe, 1997, hatte Martin Beck einige Auseinandersetzungen mit dem Chef, der sich gern in die Ermittlungen einmischte und vor allem um Pressekonferenzen besorgt war. In der zweiten Staffel übernahm die herbe Margareta Oberg den Vorsitz, die von Marie Göranzon als Magenbitter gespielt wird. In den frühen Filmen erleben wir als deutschen Beitrag den noch lockigen Ottfried Fischer als Rechtsmediziner – der ausdruckslose Faun durfte nur in der deutschen Fassung nuscheln. Später spielte Hanns Zischler den trockenen Junggesellen Josef, der einmal unter Mordverdacht gerät, weil er seine freudlosen Abende mit gekaufter Liebe aufbessert und die Kurtisane umgebracht wird.

Entscheidend für die Melancholie von „Kommissar Beck“ sind zwei andere Gestalten: Der Mann mit der Halskrause und der gelb getönten Brille, der Beck meistens vom benachbarten Balkon aus anspricht und gern ein Gläschen mit ihm trinkt. Von diesem Kauz, der lakonische Wahrheiten formuliert und der Vergangenheit nachtrauert, erfahrt man nur, dass er Rentner ist.

Die wichtigste Figur aber ist Becks Assistent Gunvald Larsson: Der Schauspieler Mikael Persbrandt verleiht dem einsamen Wolf im Trenchcoat die Züge eines Zynikers an der Grenze zum Wahnsinn. Larsson hat ein zügelloses Temperament, prügelt Verdächtige, lügt bei Bedarf, verachtet Sesselfurzer und hängt an Beck. Es bricht einem das Herz, als Gunvald in der Markthalle eine Feinkost-Bestellung seines Freundes abholt und merkt, dass er zum Abendessen nicht eingeladen ist. Gunvald ist auch sehr nachtragend. Mit einer Kriminalbeamtin tanzt er den schönsten Schieber seit den Filmen von Aki Kaurismäki. Mikael Persbrandt vermittelt das Leiden daran, dass der Mensch des Menschen Wolf ist.

Skandinavien II: Wann bringen die Dänen einen Nachfolge-Bandwurm zu dem herrlich verworrenen Zehnteiler „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“, der gegen Ende 2008 die Sonntagabende ausfüllte? Dem labyrinthischen Plot folgte man schließlich in Duldungsstarre und wunderte sich kräftig über das Ende, das die denkbar einfachste Lösung vorschlug – nicht ohne zu insinuieren, dass der großartige Mads Mikkelsen und die tüchtige Sofie Gräbol womöglich Opfer eines viel größeren, unauflösbaren Komplotts wurden. So herrlich unbefriedigend wie der Schluss von Alan J. Pakulas „The Parallax View“ – da überlebt Warren Beatty die Verschwörung allerdings nicht.

Skandinavien III: Ein Kunde von Amazon beklagt sich auf deren Website darüber, dass der norwegische „Kommissar Isaksen“ mehr mit seinen familiären Problemen beschäftigt ist als mit der Aufklärung von Verbrechen. Treffer, Mann! Eben das ist das Konzept dieser verstörend trostlosen Reihe, die im Ersten zu allzu später Stunde gezeigt wurde. Der Amazon-Freund wollte sich den zweiten Film der Doppel-DVD gar nicht mehr anschauen. Der Banause.

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