Die Orgel entstaubt: Jazzerin BARBARA DENNERLEIN spielt gegen Konventionen

Wenn Glückskinder wie Barbara Dennerlein in die Tasten greifen, werden akademische Fragen wie „Ist das noch Jazz?“ überflüssig. Dennerlein spielt Orgel: Ein warmer, weicher Röhrenklang legt unter ihren Händen jegliche Schwerfälligkeit ab, spaziert, hüpft, tremoüert, bis er von lebe kreiselnden Lautsprechern ins Publikum geblasen wird. Lange bevor Easy Listening und das Revival analoger Sounds auch Hammond-Georgel wieder populär machte, war das bei Dennerlein-Konzerten schon lange so. „Und natürlich werde ich noch Hammond spielen, wenn der Trend wieder vorbei ist“, sagt sie mit ihrem gepflegten süddeutschen Akzent und zieht den Mantel noch etwas fester zu. Es ist so kalt im Interview-Raum, daß man sogar freiwillig heißen Löwenzahn-Tee runterwürgt.

Dennerlein hat lange braune Haare und schafft es irgendwie, gleichzeitig elegant und skurril zu wirken. Knapp 15jährig gab sie bereits Konzerte und entwickelte ihren unvergleichlich vitalen Funky-StiL der sogar Leuten zusagt, die Jazz sonst für eine böse Kopfkrankheit halten. Jetzt, mit 30 Jahren, ist sie eine international erfolgreiche Frau, die das Geld, das sie mit ihrem preisgekrönten Album „Take Off“ verdient hat, anscheinend auch in stilvollem Goldschmuck anlegt. Sogar bei Kühlschrank-Temperaturen spricht sie begeistert über die Freiheit des Jazz und die vielfältigen Einflüsse auf ihrer jüngsten Platte „Junkanoo“. Swing, Latin, Blues? Alles gut und schön. Aber nach einem Gespräch mit Dennerlein ahnt man dunkel, daß ihre offensichtlich unermeßliche Lebensfreude ihren Sound mehr bestimmt als jedwede innermusikalische Klassifizierung.

Während ergraute Sandalenträger mit Pfeife einen verkniffenen Jazz-Zirkus kultivieren, träumt sie von Lightshow, Video-Screen und Tänzern, von einer richtigen Show für eine Frau, die – paradox – fast immer mit geschlossenen Augen spielt Kokettiert sie damit, Popstar zu werden?

„Darüber können wir reden, wenn ich meine erste Goldene Schallplatte habe“, sagt Dennerlein und gönnt sich ein wissendes Lächeln – Lebensfreude heißt nämlich nicht, daß sie eine Traumtänzerin ist. Sie ist selbstbewußt und pragmatisch.

Und weil sie auch ein großes Vergnügen an Experimenten hat, begann sie vor drei Jahren damit, auch noch auf der Kirchenorgel zu spielen (wie andere in ihren jungen Jahren in der Heimatgemeinde), improvisierte zu Reggae und HipHop neben Schweizer Volksmusik-Einflüssen, spielt mit dem Mozart-Pianisten Friedrich Gulda und dem Keyboard-Fex Joe Zawinul.

Als Elfjährige hörte Dennerlein zufallig eine Hammond-Orgel, und es war Liebe auf den ersten Ton. Ohne eine Sekunde zu zögern, vertiefte sie sich in ein Instrument, das dabei war, sein Image als 60er Jahre-Rebellenklaviatur zu verlieren und zum Background-Begleiter von Alleinunterhaltern zu werden. Über die Jahre brachte die Dennerlein es besonders in den USA, wo Jazz weniger eine Angelegenheit der kultivierten, elitären Verlustierung ist, nicht nur zu Kritiker-, sondern auch zu einigem kommerziellen Erfolg.

Fragen bleiben überflüssig: Wenn Jazz unterhaltsam sein kann, ohne dem Dancefloor nachzugeben, dann unter den Händen dieser Barbara Dennerlein.

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