Die Provinzler Mercury Rev arbeiten weiterhin an ihren märchenhaften Sound-Visionen

Wenn man von New York aus in nördlicher Richtung das Hudson Valley hinauffährt, kommt man nach etwa zwei Stunden in die Catskill Mountains. Dort sieht es aus wie in einer Stephen-King-Verfilmung: Unter moosig dunklen Tannen pressen sich viktorianische Dörfer an die steilen Hänge der umliegenden Hügel. Jonathan Donahue, der Sänger und Gitarrist von Mercury Rev, ist in diesem verwunschenen Hinterland geboren und seit einigen Jahren auch wieder daheim. Die Musiker seiner Band leben ebenfalls ganz in der Nähe – bis auf den Bassisten und Produzenten Dave Friedmann, der in Buffalo in vergleichbarer Abgeschiedenheit ein Studio betreibt. Früher mussten die Musiker für Plattenaufnahmen dort hin reisen, doch mittlerweue haben sich Mercury Rev im Städtchen Kingston ein eigenes Studio eingerichtet, oder wie Donahue sagt: „einen Proberaum mit etwas Aufhahmetechnik“.

In diesem „kleinen Ladenlokal“ entstand „The Secret Migration“, das siebte Album der 1991 gegründeten Band. Und wieder hängt der Himmel voller Geigen, singen die Sägen, und Donahue irrt durch Texte, die einem wohl nur in abgeschiedenen Wäldern einfallen können – nach Genuss der einen oder anderen Sport-Zigarette: „Ich habe nichts gegen New York City. Aber dort leben könnte ich nicht. Ich habe einen Haufen Hunde, und denen gefällt es besser in den Bergen“, sagt er mit einer Entschlossenheit, als habe er gerade ein Naturgesetz definiert.

Doch man kann das nachvollziehen, denn auch das neue Album ist wieder durchsetzt von einer rätselhaften Romantik, die sich gern in alten Mythologien vergräbt. In „Black Forest (Lorelei)“ etwa stellt Donahue sich vor, wie es wäre, als weißes Pferd durch einen schwarzen Wald zu traben: „Der Wald symbolisiert einen unbekannten Weg, etwas Ungewöhnliches, vielleicht sogar Furchteinflössendes. Diesen Weg mit der Würde eines weißen Pferdes zu durchschreiten, ist eine Metapher für die Veränderungen, die wir in unserem Leben durchlaufen.“ Musikalisch haben sich Mercury Rev schon immer gern verändert: Auf „The SecretMigration“ haben sie aktuell ein paar Glam- und Phil Spector-Einflüsse in ihre Musik integriert. Und nach der gelungenen Zusammenarbeit mit Nicolai Dunger spielen Mercury Rev ab nächsten Monat zum zweiten Mal ein komplettes Heather-Nova-Album ein: „Ich weiß, das klingt verrückt, aber für uns ist es wertvoll, eine andere Perspektive einzunehmen“, behauptet Donahue. Doch die Wurzeln des märchenhaften Sounds liegen anderswo: „Ich habe eine große Liebe zu den alten Disney-Soundtracks. Songs wie ‚When You Wish Upon A Star‘ vermitteln eine Stimmung, die mich zurückbringt in die frühe Kindheit. Ich möchte dieses kindliche Staunen einfangen.“

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