Die Romane und Erzählungen des italienisch-stämmigen Drehbuchschreibers JOHN FANTE haben nichts vom Hollywood-Glamour

Fante konnte nur über sich selbst schreiben. Jedenfalls wenn er literarisch schrieb. Als Drehbuchautor, der er auch immer war, sein musste, weil ihm trotz der Unterstützung des großen HL Mencken seine Geschichten und Romane nie die Subsistenz sicherten, hätte man ihm Studio-Verbot erteilt, wenn er den Regisseuren mit Stories aus dem beschwerlichen Alltag der italienischen Immigranten gekommen wäre, deren geringe bzw. gar nicht vorhandene Aufstiegschancen den amerikanischen Nationalmythos so hübsch widerlegen.

Aber in seinen zehn Büchern, von denen bisher immerhin sieben auf deutsch erschienen sind (allesamt nicht mehr lieferbar), geht es ausschließlich um ihn, um sein Schicksal, seine Erfahrungen als Sohn einer armen, noch nicht ganz assimilierten Einwandererfamilie.

Kein Wunder also, dass ein ebenfalls manisch autobiografischer Autor und Outcast wie Charles Bukowski Fante als seinen „Gott“ pries und bei sei seinem Verlag Black Sparrow Press Anfang der Achtziger gleich ein paar Neuauflagen durchsetzte, die in den USA eine Art Fante-Renaissance auslösten. Aber noch etwas hat Bukowski begeistert: Hier gab es einen Ahnen zu entdecken, ein ähnliches Schriftstellertemperament, das für seine Zeit, das sind vor allem 20er und 30er Jahre, und sein Soziotop leistete, was Buk für seine Gegenwart und Umgebung sich vorgenommen hatte, ein Schreiben „aus dem Herzen und aus dem Gedärm heraus“. Da ist es naheliegend und sinnreich, dass sein alter deutscher Hausverlag Maro mit dem gerade erschienenen Storyband „Eine Braut für Dino Rossi“ wieder eine Übersetzung vorlegt – wie schon 1982 mit „Ask The Dust“ (dt „Ich – Arturo Bandini“), laut Bukowski einem der besten in den USA publizierten Romane.

Nun, die Erzählungen sind auch nicht schlecht, und insofern darf man durchaus hoffen, dass sie als Appetizer Interesse wecken. Denn das Wesentliche seiner Bücher findet sich hier bereits: Charaktere, so wetterwendisch, unberechenbar und dann doch auch wieder so simpel, wie Menschen sein können, und eben das Fante-typische Personal, für das seine eigene Familie Modell stand: die rauhbeinige, proletarisch-laute Vater-Figur, jenen hart arbeitenden, bitterarmen, aber gleichwohl bis zur Macho-Karikatur selbstbewussten Maurer aus den Abruzzen, der mehr schlecht als recht seine Familie ernähren kann, deshalb mit seinem Gott hadert und gern mal über die Strenge schlägt; die stets duldende, katholisch-frömmelnde Mutter, die moralische Instanz der Familie; und schließlich den Helden und Ich-Erzähler, in diesen vier Geschichten ein Junge, der von der Virilität seines Vaters zurietst beeindruckt und zugleich abgestoßen ist, ihn dafür hasst, dass er säuft, rumhurt, der Mutter das Leben zur Hölle macht, aber er liebt und bewundert ihn auch aus vollem Herzen. Er hat den moralischen Imperativ der Mutter intus, der immer wieder in Konflikt gerät mit der alleweil ausbrechenden maskulinen Ungezähmtheit, der auf Konventionen pfeifenden Lebenslust des Vaters. Die daraus resultierende existenzielle Verwirrung des Jungen, interessiert Fante hier vor allem.

In“Old Red Devil“,der besten Geschichte des Bandes, erreicht die Konfusion ihren Höhepunkt und kippt um in reines Grauen. Der Vater des Erzählers bekommt eine Goldmine geschenkt und fährt nun jedes Wochenende mit einem zwielichtigen Kumpan zur Mine, um dort zu graben, aber nie bringt er etwas heim. Seine Frau schöpft Verdacht und besteht darauf, dass der Sohn mitfahrt – ihre Befürchtungen bestätigen sich: die Mine ist wertlos, die beiden Männer suchen dort gar nicht erst nach Gold, sondern betrinken sich lieber. Als wäre das noch nicht genug, taucht auch eine andere Frau auf. Mitten in der Nacht wird der Junge geweckt, und er ertappt die Erwachsenen bei einem flotten Dreier. Völlig außer sich, greift er zum Weihwassser, das seine Mutter ihm für den Notfall mitgegeben hat. Aber dieser furiose Exorzismus nützt nichts, verstört, „ganz verrückt vor Scham“ rennt er in den Wald. So leicht lässt sich der Teufel eben nicht austreiben.

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