Die Scherzbolde Camper Van Beethoven kehren mit einer bizarren Rock-Oper über die USA in einem fiktiven Bürgerkrieg zurück

Mit der neuen Platte von Camper Van Beethoven, der ersten seit 15 Jahren, ist es wie mit den alten: Man muss schon eine ausgeprägte Lust am Exkurs, an Meta-Ebenen und am – freilich immerhin humoresken – intellektuellen Diskurs mitbringen, um soviel Stil-Wirrwarr auf Dauer durchzuhalten. Auf „New Roman Times“ soll wieder zusammen gehen, was eigendich partout nicht zusammen geht, muss jeder Stein umgedreht und jeder Stil bis zum Exzess erforscht werden.

Kein Wunder, dass man David Lowery und seinen Kollaborateuren immer nachsagt, die Postmoderne (die Anfang der Neunziger modern war) in den amerikanischen Indie-Rock bugsiert zu haben. Aber ob das auch heute noch funktioniert? „Unsere gemeinsame Ebene war stets das Methodische, sozusagen die Meta-Mathematik der Musik“, versucht David Lowery eine Erklärung. „Es war von Anfang an unsere Absicht, den neuen Dogmen des Punk und Post-Rock etwas entgegenzusetzen – eine Freiheit im Umgang mit den Stilen, ganz ohne Tabu. Wir empfinden uns da schon als eine Band in der Tradition von Frank Zappa und Captain Beefheart.“ Auf „Times“, einem wieder sehr eklektischen Ding aus Indie-Sound, Americana-Fiddle, Folk, Balkan-Ska und völlig ungeniertem Prog-Rock-Gegniedel, treiben die Wiedervereinten das Credo auch inhaltlich auf die Spitze. Das 20 Lieder lange Album erzählt die Geschichte eines Soldaten, der nach Gehirnwäsche, Geheimeinsatz, Drogensucht und schwerer Verwundung zum Feind überläuft. Das Szenario ist das eines alternativen Nordamerikas, in dem sich diverse Staaten seit Jahren im Krieg befinden und Besserung nicht abzusehen ist. Irgendwie ist Texas faschistisch geworden und Kalifornien in einem tiefen Bürgerkrieg gefangen. Und dann sind da noch jede Menge Aliens und lauter verwirrende Details, die oft genug im Dunkel bleiben.

Eine Rock-Oper! Jonathan (Segel, der Mann an der Violine) und ich haben die Geschichte im Lauf des letzten Jahres per E-Mail entwickelt“, erzählt Lowery. „Natürlich ist das irgendwie ein Verweis auf die momentanen politischen Verhältnisse in den USA; da kann man den Kopf ja nicht in den Sand stecken. Aber wir können schlecht ein direktes Statement abgeben – die Band funktioniert so einfach nicht Deshalb haben wir die Form des unreliable narrator gewählt, der eine fiktive, nicht immer ganz nachvollziehbare Story erzählt. Ein bisschen Unsinn, viel Phantasie, so kommen wir besser klar.“

Das mit dem unreliable narrator ist ein gutes Stichwort. Als CVB 2002 ihre Version von Fleetwood Macs „Tusk“ veröffentlichten, ging die Geschichte dazu so: Man wolle sich langsam wieder an das gemeinsame Musizieren heranwagen und nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst an die Rückkehr von CVB gewöhnen, hieß es, und da schien die Veröffentlichung einer gut zehn Jahre alten Archiv-Aufnahme ja der richtige Weg. Man hätte stutzen müssen! Ans gemeinsame Musizieren gewöhnen? Mit einer Archiv-Aufnahme?

Und dann sind da ja noch die in die angeblich alten Aufnahmen eingestreuten Verweise, die ein sehr viel jüngeres Entstehungsdatum nahelegen. „Hätten wir ja nachträglich hineinschneiden können!“, stellt Lowery eine letzte Falle, aber jetzt kommt es heraus: „Wir haben ‚Tusk‘ im letzten Jahr aufgenommen. Als Test, ob wir noch zusammen Musik machen können. Die Geschichte mit der Archivaufnahme war bloß ein Ulk.“ Auch eine andere Variante der Geschichte habe es noch gegeben, erzählt Lowery: In den USA ging kurzzeitig herum, dass „Tusk“ vom Strokes-Trommler Fab Moretti eingespielt worden sei, was angesichts der „The“-Band-Hysterie freilich ein stark verkaufsförderndes Argument gewesen wäre. Einzig der dringende Rat eines befreundeten Anwalts hielt die Band davon ab, das Gerücht weiter zu streuen. „Ohne ein bisschen Spaß geht bei uns gar nichts“, grinst Lowery.

Bleibt nur noch die Frage, warum die mit vielen Projekten beschäftigten Herren eigentlich wieder gemeinsame Sache machen. „Wir haben einmal in einem Artikel über uns gelesen, dass Camper Van Beethoven am Ende wie ein Urinstein war, der unter dem ständigen Urinstrahl immer kleiner geworden ist. Tatsächlich sind wir am Ende einfach auseinandergefallen, nicht mit einem lauten Knall explodiert. Wir möchten aber explodieren.“

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