Die Suche nach Kate Bush

Zum neuen Album, auf zwölf Seiten: das große Interview mit Kate Bush – und noch mehr Versuche, der rätselhaften Künstlerin näherzukommen. Von Journalisten, Mitmusikern. Und Alfred Biolek.

Schnee von morgen

Die Pop-Einsiedlerin Kate Bush ist produktiv wie selten zuvor: Mit „50 Words For Snow“ kommt nun schon ihre zweite Platte in diesem Jahr.

Ein Gespräch über Deadlines, Sex mit Schneemännern und viele schrecklich wundervolle Sachen.

Interview: Joachim Hentschel

Das Letzte, was man von Kate Bush im Jahr 2011 erwarten würde, wäre ein Weihnachts-Special. Nach welchem Kalender sie lebt, ist eh unklar. Seit knapp 30 Jahren fließt ihre Musik nur so, wie sie will (sie, die Künstlerin, oder sie, die Kunst). Es wäre sogar eine Enttäuschung, wenn sechs Jahre nach dem epischen, morgendämmrigen Landhaus-Pop des Comeback-Albums „Aerial“ und ein halbes Jahr nach der schrulligen Zweitverwertungsplatte „Director’s Cut“ ein Werk käme, dessen Strategie so saisonal durchsichtig wäre.

1979, mit 20, im Jahr zwei ihrer Karriere, hat Kate Bush übrigens tatsächlich einmal ein Weihnachts-Special gemacht, für die BBC. In dem sang und tanzte sie und schauspielerte einen Duettsong mit Peter Gabriel, bei dem die zwei wie ein altes Ehepaar zusammen am Teetisch saßen. Am Klavier brachte sie ein Stück, das 1980 als Weihnachtssingle erschien, zu einer Zeit, als sie ansonsten schon längst über atomverseuchte Föten, bösartig Fallen stellende Ehefrauen und tote Soldaten sang: „December Will Be Magic Again“, mit schneeweißen Zeilen wie „Take a husky to the ice/ While Bing Crosby sings, White Christmas’/ He makes you feel nice“. Brrrrr.

Und jetzt – mit 53, nach neun britischen Top-Ten-Alben und Welt-hits wie „Wuthering Heights“ und „Running Up That Hill“, nach dem erfolgreichen Totalrückzug aus der poppigen Öffentlichkeit, der halben Rückkehr, den folgenden Jubelkritiken und dem (dennoch) kontinuierlichen Fortschrieb des Rätsels, des britischen Exzentrikerinnen-Schicksals und der Hochkünstlerinnen-Biografie – veröffentlicht Kate Bush nun eben doch ein Weihnachtsalbum. Oder, wenn es das gibt, ein Winteralbum.

„50 Words For Snow“, ein Titel, bei dem man erst mal kurz Angst bekommt, wenn man Kate Bushs Neigung zum Esoterischen und zum großen Augenaufschlag kennt. Ein Album, das einen anfangs mit Wolkenstille und gedecktem Klavier auf den langen Fall der Schneeflocke Richtung Erde vorbereitet, dann immer dichter und irrer wird, von Schneemenschen, Eisgeistern und verhinderten Liebespaaren erzählt, bis zum überraschenden Ende. Bush gehört immer noch zu den ganz wenigen wirklich idiosynkratischen, unberechenbaren Künstlerinnen (obwohl man es von vielen behauptet), und „50 Words For Snow“ ist, obwohl es eine anstrengende Platte ist, einer ihrer Karriereglanzpunkte. Was umso mehr verwundert, da sie mit „Director’s Cut“ erst im Mai 2011 eines ihrer überflüssigsten Alben herausgebracht hat: eine beliebig wirkende Zusammenstellung mittelalter Stücke, bei denen sie den Gesang und einige Instrumente neu aufgenommen hatte.

An den Bush-Spezialregeln ändert das alles nichts. Interviews gibt sie in der Regel nur telefonisch (von wenigen, glücklichen Ausnahmen abgesehen) und mit sehr kurzfristiger Ansage. Dann sitzt Kate Bush zu Hause bei einem Freund in London, klingt übers Telefon wie Mutter und Göttin. Findet im Gespräch so vieles fantastisch und wundervoll, dass man es hinterher gar nicht mehr herauskürzen kann. Und erhält den Schwur aufrecht, den sie nach den PR-Reinfällen der frühen Jahre (siehe Artikel Seite 88) heimlich geleistet hat: dass sie bei aller Freundlichkeit und Jovialität auch in langen Gesprächen mit Fremden nichts Privates oder Meinungsstarkes sagt. Sie lässt alle immer raten. Sie gibt nichts freiwillig her. Nicht mal ihre Songs.

Glückwunsch, Ms. Bush: Sie haben 2011 Ihren eigenen Rekord eingestellt! „50 Words For Snow“ und „Director’s Cut“, zwei neue Alben in einem Jahr – das haben Sie zuletzt 1978 geschafft, mit Ihren ersten zwei Platten „The Kick Inside“ und „Lionheart“.

Vielen Dank, aber stimmt das wirklich? „Lionheart“ kam doch ein Jahr später heraus. War das nicht 1979?

Nein, 1978. Am 13. November.

Seltsam, ich dachte, das wäre später gewesen. Ich weiß noch, dass ich damals für das erste Album so unglaublich viel Promotion machen musste, dass es mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Aber Sie haben sicher recht.

Sie waren damals ja auch unzufrieden mit dem zweiten Album, weil es als Schnellschuss fürs Weihnachtsgeschäft durchgeklopft wurde, oder?

Ja. Ich war wegen der ersten Platte im Dauerstress gewesen, einmal um die Welt gereist, von einer Promo-Aktion zur nächsten gehetzt. Und es kam mir vor, als ob diese viele, viele Zeit der zweiten Platte irgendwie gefehlt hat.

Sie waren 19, 20. Konnten Sie die Verantwortlichen nicht überzeugen, dass das alles zu viel wurde?

Es ging gar nicht darum, irgendwen zu überreden oder zu überzeugen. Und im Nachhinein war es vielleicht gut, dass es so kam. Denn nach „Lionheart“ und der großen Tournee von 1979 war mir wenigstens klar, dass ich meine wertvolle Zeit lieber in kreative Arbeit und weniger ins Drumherum stecken sollte. Das war der Wendepunkt, von da an machte ich alles anders.

Aber wie gesagt, beim neuen Album „50 Words For Snow“ ist für Ihre Verhältnisse doch alles sehr schnell gegangen. Warum nur?

Mein vorheriges Album „Director’s Cut“ hatte ich zwar schon vor einiger Zeit fertiggestellt – aber ich war immer noch in dieser sehr konzentrierten Arbeitsstimmung, als ich mit der neuen Platte begann, es gab keine Unterbrechung oder Ablenkung. Es hat also wirklich Spaß gemacht! Der andere Grund: Wir mussten das Album rechtzeitig fertig bekommen, um es noch im Winter auf den Markt zu bringen. „50 Words For Snow“ funktioniert im Sommer nicht so gut.

So wie Sie das sagen, „wirklich Spaß gemacht“ – das klingt, als wäre das eher die Ausnahme.

„Director’s Cut“ zu machen war zwar ziemlich wichtig für mich – trotzdem wurde es zeitweise zu einer echten Tortur. Der technische Aufwand war riesig, die Arbeit zog sich. Viel mühsamer und langwieriger, als ich erwartet hatte.

Warum haben Sie für dieses Neuauflagen-Album eigentlich ausgerechnet Songs aus „The Sensual World“ von 1989 und „The Red Shoes“ von 1993 gewählt? Am Material aus den Siebzigern oder frühen Achtzigern hätte es viel mehr zu aktualisieren gegeben.

Weil ich bei diesen zwei Platten das Gefühl hatte, dass sie nicht wirklich perfekt gelungen waren, obwohl ich eine Menge ehrgeiziger Ideen und viel Arbeit hineingesteckt hatte und einige meiner überhaupt besten Stücke darauf sind. Den Eindruck hat man ja oft, wenn man sehr lange und aufwändig an einer Platte arbeitet, sie dann sofort mixt und veröffentlicht, unwiderruflich. Hinterher wünscht man sich oft, man hätte noch ein paar Mal drüber geschlafen.

Geht Ihnen das eigentlich auf die Nerven, dass alle Sie immer fragen: „Wie lange dauerte dies und das, und wann genau haben Sie …?“

Nein, stört mich gar nicht. Allerdings finde ich es als Künstlerin immer wieder frustrierend, wie wahnsinnig lange es oft dauert, bis das Material, an dem man arbeitet, wirklich fassbar wird. Meistens kommt das nur daher, dass das Leben eben noch aus anderen Dingen als Arbeit besteht. Die lange Pause zwischen „The Red Shoes“ und „Aerial“ (zwölf Jahre, Anm. d. Red.) kam daher, dass damals so viel Neues in meinem Leben passierte (u. a. die Geburt ihres Sohnes). Und ich lange brauchte, um mir wieder eine Art Arbeitsplatz einzurichten, eine Sphäre zum Musikmachen.

Noch in den 70er-Jahren war die Toleranz beim Publikum ja viel geringer. Als Pink Floyd 1979 nach zwei Jahren mit „The Wall“ kamen, hieß es auch: Sie waren ewig weg.

Stimmt. Aber schauen Sie mal, was für ein großartiges Album „The Wall“ ist! Wenn ich das anhöre, ist es für mich völlig plausibel, warum sie so lange daran arbeiten mussten. Das ganze Konzept … Natürlich hat jeder seinen Arbeitsstil, aber eine solche Platte schnell zusammenzuhauen ist meiner Meinung nach unmöglich.

Ihre liebste Pink-Floyd-Platte?

Ja, ich glaube fast. Ein Meisterwerk. Aber „Dark Side Of The Moon“ auch … Eigentlich sind alle ihre Alben so voller interessanter Ideen! Deshalb sind sie auch immer noch so beliebt, oder?

Ich finde, dass man „The Wall“ zu deutlich anhört, dass es mehr ein gepresstes Autorenstück von Roger Waters ist.

Ich weiß nicht … Ich finde, dass man Musik immer als das hören soll, was sie ist. Und „Comfortably Numb“ zum Beispiel gehört für mich zu den schönsten Stücken zeitgenössischer Musik, die je geschrieben wurden!

Die zwölf Jahre, die das Publikum damals auf Ihr Album „Aerial“ gewartet hat, haben viele junge Sängerinnen genutzt, um Ihre Nachfolge anzutreten. Wie finden Sie zum Beispiel Joanna Newsom?

Ich kenne sie leider nicht! Aber ich wurde in der letzten Zeit oft auf sie angesprochen, also sollte ich mir ihre Musik endlich anhören. Es ist eine große Ehre, wenn meine Songs junge Leute inspirieren. Aber, zugegeben, ich habe in der letzten Zeit insgesamt nicht mehr viele neue Platten gehört.

Eher Bücher gelesen?

Auch nicht. Sie können sich ja vorstellen: Zwei Alben innerhalb eines Jahres zu veröffentlichen ist sehr viel Arbeit für mich. Ich habe nur Filme angeschaut.

Welche, die Sie empfehlen können?

„Source Code“ von Duncan Jones hat mir sehr gefallen, außerdem „Planet der Affen: Prevolution“ – sicher nicht das, was man erwartet hatte, aber gerade deshalb umso besser. Ein Film, der einen zum Nachdenken über das Leben bringt. Hervorragend fand ich auch die dänische Fernsehserie „The Killing“ (deutsch: „Kommissarin Lund“). Wirklich wundervoll.

Zurück zu „50 Words For Snow“: Als ich den Albumtitel zum ersten Mal hörte, habe ich kurz befürchtet, Sie könnten auf die Legende reingefallen sein, dass es in den Eskimosprachen 50 verschiedene Vokabeln für Schnee geben soll.

Natürlich ist das ein Mythos – aber allein die Vorstellung ist doch wunderbar, finden Sie nicht? Dass Menschen eine Sache aus so vielen Perspektiven betrachten könnten? Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Sinn ergibt es: Es gibt Schneematsch, gefrorenen Schnee … Aber man sollte es auch nicht zu ernst nehmen.

Immerhin hat es Sie inspiriert, ein ganzes Album zum Thema Schnee zu komponieren. Warum?

Schnee hat etwas Magisches, oder? Schon rein optisch ist er wunderschön, und er verändert alle Geräusche. Als ob jemand eine Wolldecke über die Welt gebreitet hätte. Manchmal bleibt er lange liegen, ist tief, manchmal nur wie ein bisschen Staub, ganz flüchtig. Und er transportiert einen in die Kindheit zurück.

Auf Ihrer Platte behandeln Sie aber auch die unheimlicheren Aspekte von Schnee.

Ja, genau deshalb ist Schnee ein so wundervolles Motiv. Er kann die Welt in ein magisches Zauberland verwandeln. Und er kann sehr bedrohlich sein.

Im Song „Lake Tahoe“ zum Beispiel geht es um den Geist einer Frau, der am winterlichen See herumspukt.

Die Geschichte hat mir eine Freundin erzählt: dass im viktorianischen Zeitalter einmal eine Frau im Lake Tahoe ertrunken sei und Spaziergänger ab und zu sehen können, wie sie vom Grund des Sees auftaucht, in ihrem alten Kleid. Ich habe das dann weitergesponnen.

Eine epische Geistergeschichte?

Ja, aber auch ein Traum im Traum. (lässt die rätselhafte Aussage ohne weitere Erklärung so stehen)

Auch „Misty“ ist unheimlich. Da kommt, wenn ich das richtig verstehe, ein Schneemann durchs Fenster geklettert, hat Sex mit der Ich-Erzählerin. Und schmilzt weg.

Ganz genau. Die Frau im Lied ist natürlich sehr überrascht! Und kann sich nicht entscheiden, ob das jetzt eine angenehme oder erschreckende Erfahrung war, Einbildung oder Rea-lität. Dass man einen solchen Song auf mehrere Arten verstehen kann, finde ich wundervoll!

Er erinnert auch an Ihren allerersten Hit „Wuthering Heights“. Da klopft die tote, geisterhafte Kathy nachts ans Fenster ihres Geliebten.

Stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht. Obwohl: In „Wuthering Heights“ kommt sie nicht hinein. Sie hängt vor dem Fenster rum und geht den Leuten auf die Nerven.

„Misty“ ist nach längerer Zeit auch mal wieder ein sehr sexueller Song von Ihnen …

Oh, finden Sie? Oh! (leicht erheitert und minimal empört)

„Snowed In At Wheeler Street“ ist auch so ein Mythos: die Geschichte von den zwei Liebenden, die ruhelos durch die Weltgeschichte geis-tern und nie zusammenkommen. Ein Duett mit Elton John.

Als ich den Song schrieb, hatte ich ihn im Kopf, er ist einer meiner großen Helden. Er ist natürlich zu mir ins Studio gekommen. Ich könnte nie mit Musikern arbeiten, die nicht anwesend sind. Das Treffen ist fester Teil des kreativen Prozesses. Elton John war wirklich wundervoll!

Beim Titelsong ist dann der Schauspieler und Schriftsteller Stephen Fry dabei – er liest die 50 Wörter für Schnee vor. „Phlegm de neige“, „vanilla swarm“, „icyskidski“, „robber’s veil“ …

Als ich den Song konzipierte, war schnell klar, dass ich jemanden mit einer gewissen stimmlichen Autorität für den Part brauchte. Jemanden, der auch die albernen Wörter so vorlesen kann, dass sie wichtig und staatstragend klingen. Stephen war der Einzige, der infrage kam.

Und Sie haben alle diese Wörter geschrieben?

Ja.

Was soll denn zum Beispiel Nummer 42, „peDtaH’ej chIS qo'“?

Das ist klingonisch.

Sieht afrikanisch aus.

Das Lustige daran: Ich hatte schon ein paar klingonische Wörter, die ich selbst hergeleitet hatte. Ich schickte Stephen die Liste, damit er sich ein paar Gedanken dazu machen konnte – und er erzählte mir, er würde Marc Okrand kennen, den Mann, der für die „Star Trek“-Serie das klingonische Wörterbuch entwickelt hat. Er fragte ihn, und so bekamen wir direkt von ihm einige Vorschläge. Also: perfektes Klingonisch!

Nötige Standardfrage: Gibt es eine Chance, dass Sie diese Songs einmal live spielen werden? Nachdem Ihre letzte Tour 32 Jahre her ist?

Ich habe es nicht vor. Unter anderem auch, weil ich es so lange nicht gemacht habe. Ich könnte nur auf die Bühne gehen, wenn ich wirklich den Eindruck hätte, dass es das Richtige ist. Könnte passieren, man weiß nie.

Auf dem ersten Song des Albums, „Snowflake“, singt auch wieder Ihr kleiner Sohn Bertie mit. Haben Sie deshalb wieder mehr Zeit für die Musik – weil Sie Ihr Familienleben ins Studio verlagern?

Es berührt mich sehr, wie fantastisch die Reaktionen der Hörer auf Berties Performance bei diesem Song sind! Den Part habe ich extra für ihn geschrieben, für seine Stimme: Sie ist noch so rein, er erreicht die ganz hohen Töne. Ich wollte das unbedingt auf Tonband verewigen, bevor er in den Stimmbruch kommt.

Er war auch schon auf „Director’s Cut“ und sogar auf „Aerial“ dabei. Ist er ab jetzt einer Ihrer wichtigsten Mitmusiker?

Das ist er schon lange. Er hat fantastische Ideen! Ich frage ihn oft nach seiner Meinung über das, was ich mache, und seine Urteile sind immer sehr bestimmt und präzise. Als ich den Song „Lyra“ für den Soundtrack „Der goldene Kompass“ schrieb, schlug er die Zeile „And her soul walks beside her“ vor. Eine absolut wundervolle Zeile! Ich hoffe, dass er mir als Mitarbeiter erhalten bleibt.

Er ist jetzt 13, oder?

Ich möchte nicht verraten, wie alt er ist …

Er ist auf jeden Fall in dem Alter, in dem Sie auch schon mit dem Songschreiben begonnen hatten, oder?

Ich habe sogar noch früher angefangen. Das war die Zeit, als ich viel und gern Klavier spielte und schon kleine bits and pieces komponierte.

Ist das nicht eigenartig, wenn Sie Ihren Sohn aufwachsen sehen und sich denken: Als ich so alt war wie er, habe ich schon die Songs für mein erstes Album geschrieben?

Die Songs fürs erste Album kamen etwas später. Aber so sehe ich ihn auch gar nicht. Das war mein Leben, und er hat seines. Keine Vergleiche.

Aber Sie haben erwähnt, dass er starke Meinungen vertritt. So waren Sie doch auch als junges Mädchen, oder? Sie haben sich nur selten etwas aufschwatzen lassen.

Bertie ist viel intelligenter, als ich es damals war. Oh yeah.

Trotzdem, Sie waren ein selbstbewusstes Mädchen. Sie haben durchgedrückt, dass „Wuthering Heights“ die erste Single wurde. Woher kam dieses Selbstbewusstsein?

Ich war nicht unbedingt selbstbewusst – ich bin mir nicht mal sicher, ob ich es heute bin. Ich hatte nur einen sehr starken Antrieb. Ich war von der Leidenschaft für die Musik völlig ergriffen, und was „Wuthering Heights“ anging: Da hatte ich einfach das unglaublich starke Gefühl, dass dies die erste Single sein musste. Keine Ahnung, warum. Ich wollte das unter allen Umständen durchsetzen. Aber ob es die richtige Entscheidung war – wer kann das heute sagen?

Nun ja, der Song wurde Nummer eins …

Trotzdem: Wer kann das sagen?

Es gibt ja dieses sehr eigenartige Video dazu – Sie tanzen im roten Kleid auf einer herbstlichen Wiese. Eine sicher unangenehme, fast peinliche Situation, aber man merkt, dass Sie sich hundertprozentig hineinwerfen. Diese Furchtlosigkeit hat Sie berühmt gemacht.

Danke! Ich habe es seither nicht mehr gesehen, aber erinnere mich noch gut an den Dreh. Ein sehr kalter Tag, und ich war sehr müde, weil zu der Zeit täglich so viel Arbeit und Eindrücke auf mich einhagelten.

Ihre Kunst hatte eine sehr physische Seite. Das Tanzen, der Körpereinsatz in den Videos. Davon ist heute nichts mehr übrig.

Ich habe für mein Leben gern getanzt. Für mich gehörte das untrennbar zur Musik dazu, auch das Visuelle, die Videos. Aber ich will mich nicht wiederholen – es gab genug Clips, die mich einfach beim Tanzen zeigten, das muss ich nicht noch einmal machen. 1986 habe ich beim Video „Experiment IV“ zum ersten Mal Regie geführt, zuletzt dieses Jahr bei „Deeper Understanding“. Das ist die Richtung, die mich im Moment mehr interessiert.

Der Comedian Noel Fielding ist neulich in der Fernsehshow „Let’s Dance“ aufgetreten und hat den „Wuthering Heights“-Tanz nachgeahmt. Haben Sie sich darüber geärgert?

Aber nein! Noel und ich sind gut miteinander bekannt, er hat im „Deeper Understanding“-Video mitgespielt. Bei Ihnen in Deutschland ist er sicher nicht so bekannt, in England ist er quasi nationales Kulturgut. Die Sendung habe ich nicht gesehen, aber Freunde haben mir davon erzählt. Ich habe Noel dann eine Grußbotschaft geschickt, die in der nächsten Ausgabe der Show abgespielt wurde.

Stört es Sie gar nicht mehr, wenn Sie im Fernsehen veralbert werden? So wie am Anfang Ihrer Karriere?

Ich fand es lustig! Und das rote Kleid stand ihm doch ganz wundervoll.

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