Die Tagträumer

Ausgeschlafener Pop aus der englischen Provinz mit The Havenots

Liam Dullughan hat mal wieder den ganzen Tag im Bett verbracht Kein Grund zur Besorgnis: Die eine Hälfte der Havenots holt sich dort nur die verdiente Erholung von seiner Nachtschicht als LKW-Packer. Wenn Dullughan erschöpft ins Laken sinkt, macht sich Sophia Marshall, die andere Hälfte, halbwegs ausgeschlafen gerade fertig für ihren Bürojob. „Und für ein paar Monate im Jahr auf Tour tun wir dann so, als ob wir richtige Musiker wären.“ Der Mann, der um sechs Uhr abends gerade aufgestanden ist, lacht herzhaft.

So läuft das also, da draußen in der englischen Pop-Provinz mit Namen Leicester. Fragt sich nur: Wann fanden sie die Zeit, um die Köpfe fürs zweite Album Never Say Goodnight“ zusammenzustecken? Zumal Dullughan betont, daß ihre Songs echte Kollaborationen seien, praktisch Zeile für Zeile zusammen aufgeschrieben. „Wir machen es nicht oft“, sagt er. „Wir schreiben auch keine Songs für die Ablage, sondern nur für ein neues Album. Sonst hängen wir einfach lieber zusammen rum.

In der Heimat wurde das nach dem gleichnamigen X-Song getaufte Duo flugs in die AltCountry-Schublade gesteckt, weil „das die einzige ist, in die wir irgendwie passen könnten.“ Eine Verlegenheitslösung also, die schon deshalb befremdlich anmutet, weil Dullughan nicht die Bohne an Geschichten, sondern „am Abstrakten“ interessiert ist und deshalb lieber assoziativ schreibt.

Ihre schönste Tour bisher haben die Havenots ohnehin in den USA gemacht, letzten Sommer, als Support für Chris Mills. Der „Freund eines Freundes“ hatte zuvor schon Hand ans Album gelegt, war aber als Duett-Partner im Song „New Lace Dress“ kläglich gescheitert.,,Nach drei Stunden“, so Dullughan, „klang es immer noch fürchterlich.“ Gut, daß die live nur als Duo praktizierenden Havenots immer für eine Überraschung im Studio zu haben sind, denn „wir wissen vorher nie was rauskommt, weil alle Arrangements erst dort entstehen“. Als Mills allerdings die Bänder dann einfach mit nach Hause nehmen wollte, um noch dies und das und jenes… „Das war schon eine harte Entscheidung“, sagt Liam. „Aber es ist toll geworden.“

„Let’s Just Start Again“ heißt der letzte Song auf „Never Say Goodnight“, und er führt tatsächlich schon in die musikalische Zukunft der Havenots, mit diesen frei schwebenden Stimmen am Ende. Auf diesem Weg wollen die Havenots weniger zufällig „einen Schritt weiter“ gehen, in den Spuren von Kirsty MacColl, deren Harmonies Dullughan so schätzt. „Ich will Tonnen von Stimmen auf der nächsten Platte.“ Ob er die frühmorgens mit dem LKW ankarren läßt?

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