Die vierte Pubertät

Zwei New Yorker Bohemiens als Lee Hazlewood und Nancy Sinatra 2013: Adam green und Binki Shapiro singen und schießen im Duett

Solange er mit binki Shapiro musiziert, herrscht absolutes Greenster-Verbot für Adam Green. Das waren die Voraussetzungen der zierlichen Frau, die man vielleicht von der Band Little Joy kennt, einem Nebenprojekt von Fabrizio Moretti, dem Schlagzeuger der Strokes. Sie mag den Greenster nicht – einen der vielen Charaktere des New Yorker Songwriters Adam Green, der meist beflügelt von Codein, Ketamin, Ecstasy und Bourbon aus ihm heraustritt. Der dann auf seinem Internetblog „The Lake Room“ Fotos von einem prächtigen Geschlecht veröffentlicht, von dem er behauptet, Freundinnen nannten es „the Kate Moss of dicks“. Na ja, also der ist jetzt eben nicht mit dabei, sonst wäre Binki nicht mit dabei. Es scheint so, als wolle Adam Green vielleicht noch mal erwachsen werden.

Am Tag des Interviews sitzen die beiden im Büro ihrer Plattenfirma in Berlin. Sie trinken Kaffee, sehr süß, und Binki trägt ein weißes, schlichtes Shirt und ihre Arme sind irre dünn. Green hat sich in eine braune Lederhose gezwängt, kein bayerisches Modell, sondern eher so ein Ding, das man in Läden trägt, in denen man vielleicht an den Tisch gekettet wird, oder sich im Darkroom verläuft. Die Hose spannt sehr am Schritt. Binki meint, dass die Aufnahmen seltsam waren, weil Adam in die Pubertät kam. „Meine vierte Pubertät“, erklärt Green stolz.

Dabei ist es verwunderlich, dass er überhaupt drei Pubertäten abgeschlossen haben will. Deswegen mochte man Adam Green ja auch so lange, weil man ihn für immer in der Phase des Heranwachsens wähnte. Texte, in denen er fürchtete, seine Prinzessin würde von anderen geschändet, Zeilen wie „There’s no wrong way to fuck a girl with no legs/ Just tell her you love her as she’s crawling away“ ließen junge kontinentaleuropäische Mädchen zu süßen Folk-Melodien dahinschmelzen. Sie sangen alle seinen „Crackhouse Blues“ und huldigten „Jessica“ und „Emily“. Aber eigentlich war das Interesse nach den ersten beiden Platten irgendwie vorbei. Nur Deutschland gilt bis heute noch als die letzte große Green-Bastion, aber Dada ist ja irgendwie auch was sehr Deutsches.

Jedenfalls muss Binki während der Aufnahmen Adam immer Tee zubereiten. Wasser, welches von Green selbst aufgekocht und über die Blätter gegossen wird, verschmäht er. Das sei wie früher bei der Großmutter gewesen, meint Green, seufzt und sagt, „bei Grandma hat einfach alles besser geschmeckt“. „Ich musste also Adams Grandma werden. Und ihn mit Tee und Kräutern beruhigen“, erzählt Binki.

Ruhig ist diese Platte wirklich geworden, die in Encino, Kalifornien im House Of Blues Studio entstand. Ein bisschen Motown, ein bisschen wie aus der Zeit der großen Duette, die Lee Hazlewood und Nancy Sinatra damals sangen und sich tief in die Augen blickten. „Binki und mich verbindet unser gemeinsamer Hass auf Duette“, behauptet Adam kokett. Und ihre Vorliebe für Spielzeug-Gewehre.

Im Jahr 2008, lange bevor sie Songs miteinander schreiben, beginnen sie in Binkis Elternhaus mit Luftgewehren auf Töpfe und Pfannen zu schießen, hängen kleine Ziele im Garten auf. Es ist so ein Nachmittag, wie in viele amerikanische Kids in den Suburbs verbringen – mit Metallkugeln auf Krimskrams ballern, bei den Plings, Plongs und dem Anblick der Dellen herrlich glucksen -, nur sind Adam Green und Binki Shapiro eben Ende 20 damals.

Shapiros Tee scheint Green wirklich gut getan zu haben. Die Anti-Duett-Duett-Platte „Adam Green & Binki Shapiro“, die Ende Januar erscheint, ist die ernsthafteste und die am meisten ausgearbeitete Veröffentlichung des New Yorkers, die es jemals gab. Keine Kalauer, keine Geschlechterwitze. Die beiden werden es schwer haben, Greens Fans, die wie er ewig Teenager sein wollen, zu begeistern.

So gut Binki für den New Yorker Bohemien zu sein scheint, so sehr hat er auch ihr geholfen. Es ist wohl so, dass die beiden inzwischen füreinander fast unverzichtbar sind. Nein, sie sind kein Paar, kein Liebespaar zumindest. Eher ein Geschwisterpaar. Auch wenn Shapiro versucht, relativ normal zu sein – auch sie kichert, auch sie albert herum – und sagt dann: „Als wir uns trafen, versuchte ich gerade, mit Surfen meinen Kopf freizubekommen. Ich war ein Fall für den Psychiater.“ Green nennt sie seitdem seinen kleinen „mental patient“. Und sind wir mal ehrlich, gäbe es einen besseren Therapeuten als Adam Green?

Der Adam Green, der einen Spielfilm namens „The Wrong Ferrari“ mit seinem Handy gedreht hat. Peter Doherty, Devendra Banhart, Dev Hynes von Lightspeed Champion spielen darin mit. Auch Binki kann man sehen. Durch Venedig, Prag, New York verfolgt der Zuschauer die Reise Adam Greens in der Rolle des Greensters. Seine Fans tragen Bagels als Erkennungszeichen um den Hals. Der Greenster liegt nackt mit zwei Frauen in der Badewanne, er trägt ein Piratenkostüm. Macaulay Culkin spielt darin seine größte Rolle seit „Richie Rich“. Ab und an wird Ketamin genommen.

Wenn man den Film gesehen hat, weiß man, warum Binki den Greenster auf Dauer nicht ertragen mag. Adam Green & Binki Shapiro sind zwei, die das Privileg hatten, niemals erwachsen werden zu müssen. Mit Anfang 30 wird das zum Fluch. Zum Glück haben die beiden sich gefunden.

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