Dies alte Country-Ding

Auf der Suche nach Authentizität will die Handsome Family ihre Biografie hinter sich lassen

Irgendwo an einer Autobahn Richtung London steht Brett Sparks in einer Telefonzeile und nimmt doch tatsächlich das komische A-Wort in den Mund.“Dieses alte Roots-Country-Ding repräsentiert was Authentisches“, sagt der männliche Teil der Handsome Family, „eine historische Kontinuität, an der die Leute Halt finden. Deshalb ist es auch so populär.“

Fragt sich nur: Wie authentisch kann ein „Sad Milkman“ (Songtitel) sein, der auf dem neuen Album „In The Air“ ‚liebeskrank den Mond anheult? Und: Was sagt das über die Beiden aus, die ihn heulen lassen? Tatsächlich konzentrierte sich ja in der Rezeption des odd couple aus Chicago bisher vieles auf Bretts manische Depressionsschübe und die Kindheitstraumata seiner textenden Gattin Rennie. Sollte es aber nicht, meint Brett. Weshalb ihm auch der Internet-Essay von Greil Marcus so gut gefiel, der die Handsome Family im „Salon Media“

im Kontext von Dylan und Beatles würdigte. „Ich musste das fünfmal lesen, bis ich es verstanden hatte“, lacht der gebürtige Texaner, der in New York beim Studium der Musikgeschichte aus Heimweh („Immer, wenn Hank Williams lief, klickte dieser kleine Schalter im Kopf) zur Country-Musik zurückfand. „Aber es war wohl das Beste, was je über unsere Musik geschrieben wurde. Über die Musik, nicht über uns. Die Songs zählen, nicht, was ich anziehe oder ob ich in der Psychiatrie war.“ Autobiografie, so Rennie, interessiere sie allenfalls „als Ausgangspunkt, als Erinnerung an ein bestimmtes GefiihL Und dann muss ich oft sehr viel lügen, um die Wahrheit zu sagen.“ Sie lacht. Die in sich ruhenden Songs von „In The Air“ lassen hinter so mancher Tragödie einen Horizont der Transzendenz aufscheinen. „Es geht nicht um ein Happy End“, erläutert Rennie, „sondern eher um einen Ort der Gelassenheit, der den Schmerz des Lebens akzeptabel macht.“

Als dickes Trostpflaster fungiert dabei Bretts Musik, die ohne Druck am heimischen Computer entsteht. Seit dem Vorgänger-Album „Through The Trees“ kann die Handsome Family auch ohne Vorschuss-Tropf von ihrer Musik leben und sich die nötige Zeit lassen. Rennie interessiert „eine universelle Sprache zu den großen Fragen. Wenn ich den Sinn des Lebens in einem Satz darstellen könnte, würde ich das schon tun.“ So muss sie weiter Milchmänner über Dächer tanzen lassen – wie authentisch auch immer.

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