Director’s Cut „Unplugged“

Wie spannend kann es sein, Eric Clapton beim Üben zuzuschauen? Diese Frage liegt auf der Hand, wenn man dem Mehrwert der erweiterten DVD-und CD-Neuauflage seines Bestsellers „Unplugged“ aus dem Jahre 1992 auf die Spur kommen möchte.

Sie erinnern sich doch noch? Sechs Grammys, 19 Millionen verkaufte Exemplare. Eine Martin-Akustikgitarre, die 2004 mal eben für 800.000 Dollar versteigert wurde. Nicht zuletzt eine Flut von Nachahmern, die danach auch unbedingt akustisch und oft überflüssigerweise vor die Kameras wollten. Und natürlich „Tears In Heaven“. Claptons öffentliches Requiem für seinen Sohn Conor, der im Jahr zuvor im Alter von vier Jahren durch ein offenes Fenster aus dem 53. Stock in den Tod gestürzt war. Eine Selbstanklage auch: „Would you know my name if I saw you in heaven?“, wollte Clapton wissen, was er wohl nie erfahren wird -bis dahin ein eher abwesender Vater, der sich damals gerade dazu durchgerungen hatte, mehr für seine Familie da zu sein. Bewegend.

„Unplugged: Expanded And Remastered“ hat im Bonus-Segment, das die Proben für die MTV-Show zeigt, nun gleich zwei weitere Songs, die ebenfalls unter dem Eindruck der Tragödie entstanden, doch erst 1998 auf dem Album „Pilgrim“ als Pop-Produktion den Weg in die Öffentlichkeit finden sollten. „Circus“ und „My Father’s Eyes“, das hier noch vor allem von Andy Fairweather-Lows Mandoline getragen wird. „How did I get here, what have I done“, zweifelt Clapton existenziell, „how could I lose him, what did I try?“ Beide Songs hat er damals auch schon vor Publikum gespielt. Aber vielleicht war’s ihm dann bei der Repertoireauswahl für die Original-Version von „Unplugged“ doch etwas zu emotional -zumal „Circus“, das direkt aus der Erinnerung an den letzten Tag mit Conor gespeist ist, fast noch trauriger wirkt als „Tears In Heaven“.

Die neue „Unplugged“-CD wartet in der „Outtakes &Alternates“-Abteilung neben „Circus“ gleich mit zwei Versionen von „My Father’s Eyes“ auf, das die Band wohl tatsächlich noch proben musste. Dazu kommen alternative Versionen von „Running On Faith“ und Robert Johnsons „Walkin‘ Blues“ sowie – offenbar als allerletzte Zugabe -„Worried Life Blues“, der auf dem Original-Album auch nicht vertreten war. Ob man diesen ohnehin viel gespielten Chicago-Standard von „Big Maceo“ Merriwether ausgerechnet von Eric Clapton noch einmal akustisch braucht, sei mal dahingestellt. Immerhin hatte er das Stück schon 1980 auf dem Live-Album „Just One Night“(siehe Diskografie) verewigt, und nach „Unplugged“ fand es sich im Jahr 2000 obendrein noch im Repertoire von „Riding With The King“, seinem Duo-Album mit B.B. King.

War eingangs die Rede vom „Üben“? Nun, das muss wohl relativiert werden. Es geht hier ja nicht wirklich ans Eingemachte oder den Rohbau. Vielmehr können wir jetzt einfach der Durchlaufprobe für den Mitschnitt beiwohnen, auch wenn das später vor Publikum gespielte Finale mit „Old Love“ und „Rollin‘ & Tumblin'“ fehlt. Nur ein paar Techniker und sonstige Helfer lümmelten schon auf und zwischen den Zuschauerbänken in den Bray Film Studios im englischen Windsor herum. Auf der Bühne sitzt schon fast alles bis ins Detail. Hier ein Lächeln für Fairweather-Low, da ein Scherz mit Bassist Nathan East oder ein „Very nice performance!“ in die ganze Runde. Zwischendurch ein kurzer Abstimmungsdialog mit dem Kameramann. Auch zieht Clapton mal an der Fluppe. Echte musikalische Korrekturen hat nur noch das Finale von „Nobody Knows You When You’re Down And Out“ nötig. „And don’t forget the ending“, mahnt Clapton dann auch noch vor dem „San Francisco Bay Blues“, der dann freilich in großem Gelächter endet – auf Kosten des tapferen Andy Fairweather-Low, der seinen Kazoo-Einsatz verpennt hatte. „Where’s my Martin?“, will Clapton noch wissen. Das alles ist zuweilen schon sehr amüsant. Womit auch die Eingangsfrage beantwortet wäre. Aber was so toll daran sein soll, „Layla“ von einem Aufschrei unerwiderter Liebe in „eine geflüsterte Grußkarte“ zu verwandeln, wie der amerikanische Kritiker Robert Christgau so schön schrieb, bleibt auch auf „Unplugged: Expanded And Remastered“ ein Rätsel.

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