Disco, House, Soul: Auf „Dense Music“ musizieren Whirlpool Production zwischen DJ-Projekt und Popband

Morgens um halb drei im Hamburger Golden Pudels Club, einer heruntergekommenen, jedoch hippen Hafenschenke. Ein DJ, der sich mehrmals entschuldigend als „Ersatzmann“ outet, kramt eine Vinylplatte mit einem Song hervor, der die Gäste nach Klavierkonzerten und allerlei Easy-Listening-Stücken plötzlich beschwingt auftanzen läßt. Er heißt „The Cold Song“ und wird zweimal abgespielt.

Erdacht haben sich dieses unverschämt sommerliche Soul-Pop-Stück, das mittelfristig ein kleiner Hit werden könnte, die drei Wahlkölner Justus Köhnke, Eric D. Gark und Hans Nieswandt. Auf die Assziationen zu ihrem Ohrwurm reagieren sie belustigt. Matt Bianco? Steely Dan? Wham!? Ja, Steely Dan ist wunderbar“, sagt Justus. Eric: „We know this stuff“. Zuletzt grummelt Hans: „I don’t love Matt Bianco.“ Das Trio, das als Whirlpool Production mit „Dense Music“ das zweite Album aufgenommen hat, ist zu clever für bloßen Kalauer. Denn die Verweise bestätigen ihre Arbeitsweise und ihr Ziel. „Diese Musik ist im Song enthalten, ohne daß sie sich darin materialisiert“, führt Hans aus. „Ein anderer nannte Randy Newman und Cat Stevens auch das kann ich nachvollziehen.“

An Whirlpool Production scheint alles durchdacht, und doch liegt in ihren Kompositionen seelische Intuition. Goodvibes. Auf „Dense Music“ sind Sounds und Samples zu hören, abstrakte Arrangements, meist gesangslose, aus Beats, Bässen und Melodienschleifen verdichtete Atmosphären oder Stücke mit Stimmen, die einen klanglichen statt inhaltlichen Effekt erzielen sollen. Alle drei arbeiten auch als DJs und Musikkritiker, und so wissen sie natürlich für sich, was tolle Musik ist und wie sie sich verhält. „Wir wollen Musik machen, die groovy ist und den Körper bewegt“, sagt Hans. „Die wahnsinnig ausformulierten Schubladen sind zu langweilig, als daß wir uns darüber den Kopfzerbrechen. Wir brechen die Genres lieber.“

Whirlpool Production begreifen sich als „Kollektiv“ und musizieren irgendwo zwischen DJ-Projekt und Popband. Genau wissen sie es auch nicht, doch Hans Nieswand hat dafür trotzdem eine schmucke Konnotation: „Wir spielen mit der Idee einer Band. Im Endprodukt kann sich unsere Musik wie von einer Band anhören, aber wir nehmen sie nicht als Band auf.“ Sie würden in ihrem Studio, einem komfortablen Keller, viel Zeit verbringen, sagt Justus, das sei schon extrem. „Wir nehmen weniger mit Instrumenten, mehr mit Computermitteln auf. Wir können drei Stunden eine Schleife hören – und fügen dann ein Drum-Element hinzu.“ In ihrem Selbstverständnis nehmen Whirlpool Production für sich in Anspruch, was die Rockpuristen trotz ihres enormen elektronischen Equipments niemals zugeben werden. „Unsere Basis ist Jammen“, erläutert Hans. „Es ist egal, ob es Instrumente oder Computer sind.“

Die einzige Diskrepanz zu einer Rockband: Bei Whirlpool Production kann, darf und macht jeder alles. „Es funktioniert wie ein Topf, in dem wir unsere Talente zusammenrühren, so daß hinterher niemand sagen kann, dies sei ein klassisches Justus-Beat-Programm“, sagt Hans.

So geschah auch das kleine Wunder mit ihrem „Cold Song“. Justus: „Es gab eine Basis, die gar nicht als Song gedacht war, eine Akkord-Struktur und ein Rhythmus, und daraus hätte auch ein langes, abstraktes Club-Stück werden können. Aber da kam Eric die Gesangsidee, und so erhielt alles ein anderes Gesicht.“ Das Lied ist nicht in nur in seiner Leichtigkeit das Herzstück des Albums. „Wir haben den Song in der Mitte plaziert“, säuselt Hans mit boshafter Lakonik. „Den muß man sich verdienen.“ „Dense Music“ erschließt sich suggestiv dem Hörer. Ihr erstes Album „Brian De Palma“ beispielsweise benannten sie nach dem Regisseur, da die Stimmung einen Freund an den Film „Carlito’s Way“ erinnert habe. Daher ließen sie den Begleittext zur neuen Platte von einem befreundeten Kunst- und Kinokritiker schreiben. Das Stück „International Cigarette“ etwa pocht wie das Herz eines Rauchers in naßkalter Nacht – und es endet, wenn die Kippe tatsächlich verglüht ist.

Anfang Oktober wagen Whirpool Produktion eine Tournee – live mit klassischen Instrumenten. „Im Studio entsteht für uns Magie, obwohl objektiv gesehen stundenlang nichts passiert“, erklärt Hans Nieswandt. „Dem Publikum eine Show zu bieten, ist für uns als Künstler wichtig. So ganz schlecht spielen wir ja auch nicht. Und es muß ja nicht wie auf Platte klingen.“

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