Echo

Wir werden ihn vermissen, den „Deutschen Schallplattenpreis“ ECHO, der Mitte März zum letzten Mal in Hamburg über die Bühne ging (um im nächsten Jahr voraussichtlich nach Berlin abzuwandern). Selbst wenn böse Zungen behaupten, die Kür der Sieger spiegele eh nur den desolaten Musikgeschmack des deutschen Konsumenten wider eines ist die Star-gespickte Zentralveranstaltung jedenfalls nicht: geschlechterdiskriminierend. Gäste mit Lust auf Fleischbeschau kamen bei Gala und der anschließenden Party voll auf ihre Kosten, denn auf dem Jahrmarkt der kleinen und großen

Eitelkeiten wurden männliche wie weibliche Primär- und Sekundär-Geschlechtsmerkmale zur Genüge feilgeboten. Den Anfang machte die dekolletierte Damenriege von Sabrina Setlur über Anke Engelke bis hin zur überreifen Erotik einer Vicky Leandros. Dazu jede Menge Oben Ohne (Versace-Transparenz bei Tic Tac Two und ein selbstgeschweißtes Nichts in Kampfstiefeln bei Baby-Joop Jette) und einmal sogar Unten Nichts: Ex-Mr.

President-Sängerin „T löste das Problem des auftragenden Slips unter dem umgeschnürten Dolce & Gabbana-Duschvorhang auf pragmatische Weise: Mit beherztem Griff zog sie den Schlüpfer aus und stopfte ihn in die Brusttasche ihres Begleiters.

Schön, dass bei soviel nackter Damenhaut auch die Männer nicht zurückstecken wollten. Guano-Apes-Gitarrist Henning Rümenapp zum Beispiel beendete das „Big In Japan“-Playback, indem er seinen Kimono auf der Bühne hochzog und seinen besten Freund dem Publikum vorstellte. Das zweite gesichtete Gemächt war das in der Öffentlichkeit schon mehrfach gesichtete Fortpflanzungsorgan von Evil, im Hauptberuf Saitenquäler der ebenfalls mit einem „Echo“ prämierten Bloodhound Gang, der den Auftritt nackt mit wehender Deutschland-Flagge beendete. Cher bekam auch einen Preis, wollte aber nicht schon wieder ihre 63 Hutkoffer nach Deutschland transportieren und bedankte sich via Telefon – was die Bloodhound Gang ihrerseits zu der pointiertesten Dankesrede des Abends inspirierte: „Wir danken den anderen Künstlern, die mit ihrer schlechten Musik uns diesen Preis erst ermöglicht haben. Fuck America! Fuck Cher!“ Unbeliebt hatten sich die Bluthunde auch bei den MDR-Technikern gemacht- sie bestanden doch tatsächlich darauf, live zu spielen. Sabrina Setlur ebenfalls, was zu einem Soundmatsch führte, der ihren Produzenten Moses P. vom Sitz riss, um am Mischpult die Regler selbst in die Hand zu nehmen. Die Hände an dem „Götzen Echo“ besudelte sich Xavier Naidoo auch dieses Jahr nicht – er wickelte das Teil in sein Jackett und versprach, es für einen guten Zweck zu versteigern. Der Zweck des „Echo“ war für die meisten Gäste eh der Besuch der Aftershow-Party. Nach dreieinhalb Stunden Sitzfleisch warteten 1000 Flaschen Schampus auf den Branchen-Durst. Genug, um sich den bunten Abend mit Mike Krüger, Negerkalle und den Klitschkos schön zu trinken.

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