Eddie Vedder, Lars Ulrich und der Fall der „West Memphis Three“

18 Jahre lang saßen die "West Memphis Tree" wegen dem Mord an drei achjährigen Jungen unschuldig im Gefängnis. Die Musikszene, insbesondere Künstler wie Eddie Vedder, Lars Ulrich und Henry Rollins, unterstützte das Trio in ihrem Kampf für ihre Freiheit und eine lückenlose Aufklärung des Falls.

Es war ein Freitagabend in Memphis, als sich 75 Menschen auf einem Hoteldach mit Blick auf den Mississippi versammelten, um dort einer von Eddie Vedder veranstalteten Party beizuwohnen. Als die Ehrengäste – Damien Echols und Jason Baldwin, die gerade nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden waren – ankamen, wurden sie sofort von Freunden und Anhängern umzingelt und umarmt, Fotos wurden mit ihnen gemacht. Vedder versammelte die Menge, um mit Champagner anzustoßen, packte dann seine Gitarre und sang mit der Unterstützung von Natalie Maines von den Dixie Chicks Neil Youngs „Rockin‘ in the Free World“.

Es war das Ende eines fast zwei Jahrzehnte dauernden Albtraum der “ West Memphis Three“ – Echols, Baldwin und Jessie Misskelly Jr. – die als Teenager wegen des Mordes an drei achtjährigen Pfadfindern verurteilt worden waren. Die Leichen der Jungen waren damals in einem kleinen Bach in Arkansas gefunden worden. Misskelly, der als geistig behindert diagnostiziert wurde, hatte in einem fragwürdigen zwölfstündigen Verhör die Morde gestanden. Außerdem wurden vor Gericht regelmäßig Beweise, die für die Unschuld der Teenager sprachen, aus dem Verfahren ausgeschlossen. Stattdessen konzentrierte sich die Staatsanwaltschaft auf ihren Ruf als Außenseiter und ihren düsteren Geschmack in Sachen Musik und Kultur: Sie hörten Metallica, lasen Stephen King und Echols interessierte sich für die Naturreligion Wicca – laut Staatsanwaltschaft seien dies Beweise dafür, dass die drei die Kinder in einem satanistischen Ritual umgebracht hätten. Alle drei wurden wegen Mordes verurteilt, Echols, der angebliche Rädelsführer, sogar zum Tode.

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Dieses Urteil empörte Metallica, die HBO erlaubten, ihre Musik für die Dokumentation „Paradise Lost“ aus dem Jahr 1996 zu verwenden. Der Film argumentierte stark für die Unschuld der drei und war äußerst glaubwürdig. „Es war das mindeste, was wir tun konnten“, so Lars Ulrich. „Sie waren Außenseiter, die nicht in das Bild der Gemeinde passten. Ich konnte mich eindeutig mit ihnen identifizieren, wir alle konnten das.“

Der Fall schlug außerdem Wellen in der Musikbranche, von Künstlern wie Patti Smith und Henry Rollins bis zu Tom Waits und Ozzy Osbourne. „Der Staat verwendete unseren persönlichen Musikgeschmack gegen uns“, erzählte Baldwin dem ROLLING STONE, nur wenige Tage nachdem er freigelassen wurde. „Ich finde, dass es sehr aussagekräftig ist, dass am Ende einige dieser Künstler uns dabei halfen, unsere Freiheit wieder zu erlangen.“

Rollins begann Benefizkonzerte zu organisieren und veröffentlichte im Jahr 2002 ein Album mit den Gastauftritten von Iggy Pop und Lemmy Kilmister. „Dieses Verfahren stank zum Himmel“, meinte Rollins. „Ich war zum teil bis halb vier Uhr nachts wach und dachte an Damian. Ich hätte er sein können. Ich hatte diese Platten. Ich war auch ein verdrießlicher Teenager.“ Bis zum Jahr 2005 hatte Rollins 100.000 US-$ zusammengetragen, womit die DNS-Tests für die Verteidigung finanziert werden konnten.

Eine Wendung im Prozess gab es im Jahr 2007, als Nathalie Maines in einem Blogeintrag behauptet hatte, dass die DNS von Terry Hobbs, dem Stiefvater eines der Opfer, am Tatort gefunden wurde. Hobbs klagte wegen Verleugnung und beteuerte seine Unschuld. In seiner Erklärung behauptete er, dass er die Kinder am Tag ihres Mordes nicht einmal gesehen habe. Drei Augenzeugen widersprachen dem allerdings. Sie hätten ihn, kurz bevor die Jungen verschwunden waren, mit den Kindern gesehen. „Als Mains diese Erklärung in die Finger bekam, war das ein großer Vorteil für uns“, erklärte Lonnie Soury, eine Berater der Verteidigung. „Das gab uns viele Erkenntnisse beschert.“

Der Fall bekam noch mehr Aufmerksamkeit, als Maines und Vedder 2010 ein Benefizkonzert mit der Unterstützung von Patti Smith und Johnny Depp veranstalteten. „Sie haben sich genauestens über den Fall informiert“, sagte Echols Anwalt Stephen Graga über Vedder und Maines. „Ich traf mich oft mit Eddie um herauszufinden, wie wir den Fall am besten vorwärts bringen konnten.“ Im Bezug auf Rollins fügte er hinzu: „Er hat ziemlich viel Geld zur Lösung des Falls beigesteuert.“

Nachdem eine Anhörung festgelegt wurde, in der entschieden werden sollte, ob ein weiteres Verfahren in die Wege geleitet werden sollte, entschied sich der Staat plötzlich, die West Memphis Three freizulassen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie ihre Schuld eingestehen, während sie trotzdem noch an ihrer Unschuld festhalten könnten. Dadurch verloren sie auch ihr Recht, den Staat zu verklagen. „Der Staat gab ihnen keine Entschädigung“, erklärt Ulrich. „Also haben wir nun die Verantwortung, ihnen auszuhelfen.“

Nun sind die drei in ihren Mitdreißigern und sie können es kaum erwarten, endlich ihr Leben als Erwachsene zu beginnen. Echols überlegt sich seine nächsten Schritte bezüglich der Untersuchung des Falls, während er mit seiner Ehefrau Lorri Davis (eine Anwältin, die sie unterstützte und die er im Gefängnis kennengelernt hatte) im Urlaub ist. Misskelly bereitet sich gerade auf die Hochzeit mit seiner Freundin aus der Schulzeit vor und Baldwin pflügt sich gerade durch College-Broschüren. „Es fühlt sich wie eine Wiedergeburt an“, sagt er. „Nichts ist jetzt unmöglich.“

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