Ein bittersüßes Denkmal

Auf ihrem zweiten Album verarbeitet Sarabeth Tucek den Tod ihres Vaters und verjagt damit den Elefanten aus dem Zimmer.

Sarabeth Tucek singt über ihren toten Vater. Ein ganzes Album lang. So direkt vertont die in Maine geborene und in New York aufgewachsene Sängerin auf „Get Well Soon“ ihren Verlust, dass man nicht umhin kommt, sich mit der Künstlerin über entsprechende Themen zu unterhalten: Tod, Trauer, Trauma, Therapie. Doch wie ihre Lieder nicht bleiern schwer, sondern auf kuriose Weise schön und hoffnungsvoll sind, ist auch das Gespräch mit Tucek nicht bedrückend, sondern ermutigend. Es sei gut für sie nach diesen Themen gefragt zu werden, weil sie so über ihren Vater sprechen und sich an ihn erinnern könne. „Die Lieder live zu singen, kann schon manchmal etwas entblößend sein. Aber der gesamte Prozess macht mich zu einem stärkeren, selbstbewussteren Menschen. Das ist es wert.“

Bis zur Veröffentlichung ihres ersten Albums war Tucek nur als Kollaborateurin aufgefallen – ein Album mit Bill Callahan, eines mit Colin Michael Gagon, eine EP mit Anton Newcombe vom Brian Jonestown Massacre. Nun hatte sie plötzlich so etwas wie Erfolg, konnte die Dayjobs kündigen und wähnte sich am Ziel. Aber warum wich die Schwermut – für Tucek ein ständiger Begleiter – nicht einem Gefühl von Glück oder Erleichterung? „Ich dachte, wenn etwas Gutes passiert, dann nimmt es die schlechten Sachen weg“, erklärt Tucek, „aber es war eher so, dass ich nach den Jahren der ständigen Schufterei plötzlich wieder wahrnahm, was in meinem Leben nicht stimmte. Als ich darüber zu schreiben begann, sah ich endlich den Elefanten im Zimmer.“ Der Tod des Vaters lag zu diesem Zeitpunkt schon Jahre zurück. Doch so ist es mit Traumata: Man erkennt sie erst, wenn man so weit ist. „Ich hoffe, das Album hat etwas Universelles – im Endeffekt sind wir ja alle gleich und haben ähnliche Erfahrungen.“

Dass die Platte etwas Gemeinschaftliches hat, liegt wohl auch am Aufnahmeort. Tuceks Freunde von Black Rebel Motorcycle Club vermittelten eine zehntägige Session in einem sehr privaten Studio in Philadelphia. Plattenproduktion mit Familienanschluss. „Es war bittersüß“, erinnert sich Tucek, „oben erlebte ich am Esstisch das Familienleben, das ich nie hatte, und unten im Keller entstand dieses Denkmal für meinen Vater. Es hätte keinen besseren Ort geben können.“

„Get Well Soon“ ist ein sehr gutes Album, die ernsthaft intensive Andacht in diesen von Neil-Young-Gitarren und Cat-Stevens-Sanftmut durchzogenen Songs etwas Besonderes. „Ich wollte ein Album über Gemeinschaft schreiben, etwas Warmes, Tröstendes. Das war für mich immer das Schöne an Musik: Mit ihr fühle ich mich weniger allein.“

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