Ein Genie und Gentleman

Berühmte Kollegen denken an die außergewöhnlichen Auftritte von Jimi Hendrix zurück. Noch mehr beeindruckt hat sie aber seine Persönlichkeit. Interviews von Jonathan Wingate

Paul McCartney

Erfuhr im Juni 1967 überraschend Unterstützung von Hendrix.

Die Arbeit an „Sgt. Pepper“ war fantastisch, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt schon einige Medienvertreter gab, die die Beatles abgeschrieben hatten. Wir lachten uns ins Fäustchen und dachten nur: „Dann wartet’s mal ab!“ Als dann „Sgt. Pepper“ erschien, war es wie eine Explosion. An dem Wochenende danach schien ganz London in Flammen zu stehen – und jeder, den ich traf, hatte das Album schon gehört. Der Höhepunkt war Jimis Auftritt im Saville Theatre. Das Album war am Freitag erschienen, und schon am Sonntag eröffnete Jimi seine Show mit „Sgt. Pepper“ – aus heiterem Himmel! (Er imitiert den WahWah-Sound: „Sgt. Peppers lonely hearts club band, we hope you will enjoy the show…“) Er spielte dann ein zehnminütiges Solo, das völlig neben der Spur war, aber trotzdem unvergesslich bleibt. Und ich weiß, wovon ich rede, weil ich im Publikum war.

Cat Stevens (Yusuf Islam)

Ging als 19-Jähriger auf Tournee mit der Jimi Hendrix Experience, Engelbert Humperdinck und den Walker Brothers.

Ich weiß gar nicht mehr, wer diese Tour zusammengestellt hat, aber das Line-up war schon sehr ungewöhnlich. Ich erinnere mich an den Auftritt, als Jimi zum ersten Mal seine Gitarre anzündete: „Die Bühne steht in Flammen – Jimi verbrennt seine Gitarre!“ Wow. Wir liefen alle zur Bühne, um uns das Spektakel anzusehen. Es war so etwas wie die eigentliche Geburt von Jimi Hendrix, er verkörperte die schmutzige, gefährliche Seite des Rock’n’Roll. Natürlich war seine Musik so völlig anders als meine (Cat Stevens hatte damals gerade erst sein Debüt veröffentlicht). Ihn auf der Bühne zu erleben, war wirklich beeindruckend. Hendrix schien alles um ihn herum zu verändern, seine Musik war einfach neu – wobei es natürlich in der damaligen Zeit viele Dinge gab, die uns neu erschienen.

Privat war er ein ausgesprochen freundlicher und angenehmer Mensch, der in sich zu ruhen schien. Ich lernte ihn auf der Tour ziemlich gut kennen. Hendrix und Humperdinck waren meine beiden Freunde, während man Scott Walker nie zu Gesicht bekam. Er war der eigentliche Star und machte einen auf Primadonna.

Robert Wyatt

Tourte als Schlagzeuger von Soft Machine 1968 ausgiebig mit der Jimi Hendrix Experience.

Wenn ich mich an ihn erinnere, spüre ich nichts als echte Zuneigung und Bewunderung. Ich war einfach ein Glückspilz, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein. Rockmusiker können ganz schön arrogante Arschlöcher sein, aber Jimi war immer ein Gentleman, der sich wie ein Erwachsener verhielt und nie den Star raushängen ließ. Auf der Bühne war er schlicht faszinierend, auch wenn er manchmal etwas den Faden verlor. Ich sah ihn im Laufe des Jahres 1968 fast jeden Abend, kann aber nicht behaupten, dass ich mich jedes Mal auf ihn konzentriert hätte. Wir mussten schließlich an unseren eigenen Auftritt denken. Ich bin auch nicht unbedingt ein großer Freund von Rockmusik und hielt die meisten der Bands für arg bombastisch, aber Jimi besaß in seinem Spiel einen Fluss, der mich ungemein beeindruckte.

Steve Winwood

Spielte Keyboards auf „Voodoo Chile“.

Ich war damals gerade in New York, als Jimi mich fragte, ob ich schnell ins Studio kommen könne, um auf einem Track mitzuspielen. Wir sprachen kurz über die Aufnahme und machten einen Take. Beim zweiten riss eine seiner Saiten, aber der dritte war’s dann. Ich war nur für ein paar Stunden im Studio, zusammen mit Mitch Mitchell und Jimi. Es war schon elektrisierend, mit ihnen aufzunehmen, aber in diesem Moment ist einem das nicht mal bewusst. Keine Frage: Jimi war ein unglaublicher Musiker und ein sehr bescheidener Mensch obendrein, aber ich saß da nicht und dachte: „Mein Gott, jetzt werden wir alle Millionäre“ oder: „In 50 Jahren wird man noch über diesen Augenblick sprechen.“

Ob Hendrix der beste Gitarrist war, mit dem ich je zusammengearbeitet habe? Schwer zu sagen. Hendrix war so anders als Clapton. Sie waren auf ihrem ganz eigenen Trip, aber sie waren beide faszinierende Gitarristen. Es ist eine schwierige Frage, weil ich auch mit Leuten wie T-Bone Walker, John Lee Hooker, BB King, Howlin‘ Wolf und Muddy Waters gespielt habe. Man kann nicht sagen, Hendrix war besser als T-Bone Walker, weil sie einfach zu unterschiedlich waren.

Brian Auger

Versuchte vergeblich, Hendrix vom Heroin abzubringen.

Es war 1966, als mich Chas Chandler anrief und sagte: „Ich habe da diesen unglaublichen Gitarristen aus Amerika, den ich gerne mit euch auf die Bühne stellen möchte.“ Ich sagte ihm, dass wir schon einen Gitarristen hätten, aber falls er ihn unbedingt mitbringen wolle, okay – wir würden am Freitag im Cromwellian in London spielen. Wir fingen mit unserem Set an, und plötzlich legte Hendrix mit einem Solo los, dass wir uns alle nur anschauten: „Wer zum Teufel ist dieser Bursche?“ Bei Clapton, Beck oder Alvin Lee konnte man ihre Einflüsse genau raushören, aber Hendrix klang wie niemand sonst.

Als Mensch war er zunächst unglaublich lieb, aber dann verloren wir uns aus den Augen – und ich hörte immer häufiger, dass er auf Drogen sei und glaubte, von einem anderen Planeten zu stammen. Ich dachte: „Das ist nicht der Jimi, den ich kennengelernt habe.“ 1970 waren wir dann mit John McLaughlin in einem Studio, als plötzlich die Tür aufging und Jimi hereinkam. Er sah schlimm aus. Wir gingen vor die Tür, und er fragte mich, ob ich mit ihm ein Album im Electric Ladyland aufnehmen wolle. Dann holte er ein Silberpapier aus der Tasche, zog sich etwas rein und bot es mir an. Ich vermute, es war Heroin. Ich sagte ihm: „Das Zeug wird dich umbringen“, und er sagte darauf etwas, das ich nie vergessen werde: „Weißt du was, Bri? Ich müsste viel mehr Leute wie dich um mich herum haben.“ Vier Monate später war er tot. Unfassbar, was für ein Talent da verschwendet wurde.

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