Eine kastrierte Legende

Beim Dreh zu "SHAFT - NOCH FRAGEN?" wurde gestritten: Wie scharf und schwarz darf der Sex sein?

Who’s the black private dick that’s a sex machine to all the chicks?“, sang Isaac Hayes wie ein Gospelprediger, und der Mädchenchor stieß einen spitzen Lustschrei aus: „Shaft!“ Richard Roundtree verkörperte 1971 die Figur, die bald zur Ikone wurde für ein neues, narzisstisches Selbstbewußtsein der Afro-Amerikaner nach den Rassenunruhen und den Civil Rights in den 60er Jahren. Der Privatdetektiv John Shaft war muskulös, lakonisch, potent und absolut autonom. Ein echter Kerl, „who would risk his neck for his fellow man“, wie Hayes soufflierte, während Roundtree im Ledermantel vorbei an Sexshops und Wettbüros über den Times Square flanierte. Das war cool. „Shaft“, erklärt Regisseur John Singleton, „leitete einen Paradigmenwechsel ein.“

Nun hat der 32-Jährige („Boyz ‚N The Hood“) den Mythos noch einmal verfilmt. Anfangs hatte er an „a pretty simple, low budget, funky affair“ gedacht. Das Paramount-Studio rechnete aber einige Nummern größer, wollte „Shaft“ als Franchise-Vehikel reanimieren, das unter dem deutschen Titel „Shaft – Noch Fragen?“ (ab 26.10.) mehr ein Sequel ist als ein modernes Remake. And who’s the man? Samuel L. Jackson! Es sei „die Rolle, für die ich geboren wurde“, so der 51-Jährige.

Doch als er das Drehbuch von Richard Price las, „dachte ich, was vom Song der falsch verstanden hatte“, ereiferte sich Jackson: Aus dem flamboyanten Macho-Detektiv ist ein kühler Karriere-Cop geworden, der eine Mordzeugin vor einem rassistischen Psychopathen (Christian Bale) zu schützen versucht. Singleton hatte für den Regiejob sein Skript von Price überarbeiten lassen müssen und monierte zudem, Produzent Scott Rudin („Addams Family“) habe für die Produktion nur Weiße angeheuert: „Die kennen den ersten Film gar nicht – höchstens die Musik.“

Eine Frage der Hautfarbe war das auch damals aber nicht. Zwar repräsentierten Roundtree und Regisseur Gordon Parks die afroamerikanische Seele – so wie jetzt Jackson und Singleton. Finanziert wurde der Klassiker des Black Cinema aber vom großen, jüdisch begründeten MGM-Studio. Das Drehbuch hatte Ernest Tidyman („Brennpunkt Brooklyn“) nach seiner Novelle verfasst – der war weiß wie Price.

Ihre Sorge, die Neuauflage könnte nicht black enough sein, führte zu kuriosen Disputen über schwarzes Selbstverständnis. Vor allem wurde darüber gestritten, wie häufig und wie scharfen Sex der heutige Shaft haben dürfte. Im Original hat Roundtree Fummelszenen mit seinen Partnerinnen, die manche heute als sexistisch ansehen würden – oder als Satire. Letzteres sollte, das andere durfte der neue Film nicht sein. Deftige Sexsequenzen wurden daher rausgeschnitten. „Price und Rudin können von schwarzer Sexualität ja keine Ahnung haben“, meint Jackson. „Aus Angst, Frauen könnten sich beleidigt fühlen, ist nun alles politisch korrekt, aber ethnisch unkorrekt.“ Und Singleton wundert sich über die prüde Doppelmoral: „Sexszenen gelten als familien- und frauenfeindlich. Aber es ist okay, wenn wir zeigen, wie Shaft jemandem den Schädel einschlägt.“ Wie eindeutig dessen Image eingeschätzt wird, zeigt die Suche nach der Website zum Film: Unter „Shaft“ landet man bei einer Klinik für Penisvergrößerung.

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