Emmylou Harris: Vergnügliches vom Tod

Als sie ihren Hund begraben musste, überkam Emmylou Harris das große Elend. Um dann festzustellen, dass Abschiednehmen durchaus auch positive Seiten hat

Es ist heiß in London, Emmylou Harris hat es sich auf dem Sofa ihres Hotelzimmers bequem gemacht. Barfuß, im dünnen Sommerkleid, das weiße Haar silbern glänzend, die Hände um die Teetasse geschmiegt. So Seelenruhig und entspannt war sie nicht immer bei Gesprächen über ihre Musik. „Das stimmt“, lacht sie hell, „ich fühlte mich oft in der Defensive, doch das hat sich gelegt. Ein positiver Nebeneffekt des Alters, einer der wenigen.“ Vor ein paar Wochen ist sie 61 geworden, und ihr neues Album „All I Intended To Be“ handelt vom Abschiednehmen, von finalen Dingen, vom Sterben.

Nicht all diese Betrachtungen des Todes sind traurig. Einige erinnern an das Leben der Verblichenen, sind Oden und Hommagen. Andere feiern das Ableben auf beinahe frivole Art wie „Sailing Round The Room“, einer von zwei Songs, die Emmylou gemeinsam mit Kate und Anna McGarrigle schrieb und auch singt, auf das Wunderbarste harmonierend, versteht sich: „One last gaze upon the sun/ Bid farewell to everyone/ Kick that bucket out the door/ Where I’m going I won’t need it anymore.“ A merry song about death? „Yeah“, pflichtet sie ernst bei, „it’s a happy song.“

Klassiker von Billy Joe Shaver und Merle Haggard kommen in den Genuss von Emmylous unvergleichlicher Stimme, doch auch Songs aus eigener Feder. Über den Verlust enger Freunde und, sie sagt es fast entschuldigend, den Schmerz, ihren Hund begraben zu müssen. „Das Schicksal von Tieren und ihre grausame Behandlung durch den Menschen hat mich früher kaum bekümmert. Es war Chrissie Hynde, die mir in drastischer Weise die Augen öffnete, und ich bin ihr dankbar dafür.“ Konsequente Vegetarierin sei sie zwar noch nicht, hin und wieder esse sie Fisch, „but I’m getting there“.

Überhaupt habe sich viel geändert in ihrem Leben, seit die Kinder selbstständig sind und sie sich nichts mehr beweisen müsse. „Das Songschreiben war für mich lange eine Anstrengung, oft selbstquälerisch, nun gehe ich mit sehr viel mehr Vertrauen daran. Die Songs fallen mir noch immer nicht in den Schoß, aber es ist keine Arbeit mehr, sondern eher ein natürlicher Prozess.“

Produziert hat das Album Emmylous Ex-Gatte Brian Ahern, der unter dem Gütesiegel Happy Sack Productions einst Standards setzte, die nicht nur im Country-Sektor bislang unerreicht blieben. Unerreichbar, denn sie werden nicht mehr hergestellt, die Mikrofone und Mischpulte, die Bänder und Bandmaschinen, mit denen Ahern in den Siebzigern unerhörte Homogenität, Räumlichkeit, Wärme und Dichte schuf. „Brian bemüht sich außerordentlich um vergleichbare Bedingungen“, erklärt Emmylou, „er kauft altes Equipment zusammen und meidet alles Digitale. Das Album wurde komplett analog aufgenommen, was umständlicher ist, aber klanglich den Aufwand allemal wert.“

Schwieriger zu überwinden als technische Hürden waren die Barrieren zwischenmenschlicher Art. Immerhin war bei der Trennung einiges zu Bruch gegangen. „Unsere Beziehung bewegte sich danach auf felsigem Gelände, aber wir haben eine gemeinsame Tochter, weshalb wir den Kontakt nie abreißen ließen.“ Es sei die konstruktive Studioarbeit gewesen, die Spannungen erst gar nicht habe aufkommen lassen. Und die Anwesenheit alter Weggefährten aus glücklicheren Tagen. Glen D. Hardin und Emory Gordy von der legendären Hot Band etwa und John Starling, Tom Gray sowie Mike Auldridge von The Seidom Scene, jener stilbildenden Bluegrass-Band aus Washington DC, zu deren Konzerten sie nicht selten als Paar gepilgert waren. „Nicht in Worte zu fassen“ seien diese Nächte gewesen, seufzt Emmy. Und fasst sie dann in sehr viele Worte, ganz hin und weg vom Zauber der Erinnerungen. Es sei vorgekommen, dass Starling, im Hauptberuf Chirurg, mitten im Auftritt in die Klinik gerufen wurde zu einer Operation, eine Stunde später aber wieder auf der Bühne stand und sang, als ginge es auch dabei um Leben und Tod. Eines Tages werde sie das alles zu Papier bringen, verspricht sie lächelnd. Und schenkt Tee nach.

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