Endlich Spaß haben

Seine Karriere hat sich Lloyd Cole selbst ruiniert. Allerdings ist er jetzt glücklicher denn je

Wie sich das anfühlt, wenn man merkt, dass man seine Karriere selbst ruiniert hat? Nicht so gut. Vbr allem, wenn man es – wie Lloyd Cole – „viel zu spät“ merkt. „Ansonsten wäre ich finanziell doch konservativer gewesen“, blickt der bald 40-jährige Wahl-US-Ostküstler auf die frühen 90er Jahre zurück. Das Orchester-Werk „Don’t Get Weird On Me“ hatte sich schon schlecht verkauft, doch Cole pumpte unbekümmert „lächerlich viel Geld“ in den Nachfolger „Bad Vibes“. „Sehr dumm, wirklich.

Es ist sehr leicht, sich von der Realität zu verabschieden. „Zumal „wenn dir die Firma einredet, du wirst der größte Star derW elt.“ Das tut sie nun nicht mehr. Der Ex-Philosophiestudent, der ’84 mit den Commotions und „Rattlesnakes“ so brillant debütierte, hat nämlich keine (große) mehr.

Sein neues Album, nach der neuen Band schlicht „The Negatives“ betitelt, ist bisher nur in Deutschland und Frankreich zu haben. „Ich bin zu alt, um zu denken, dass ein dicker Deal mein Leben ausmachen könnte. Ich laufe den Firmen auch nicht mehr nach. Sollen sie doch kommen.“ Cole selbst hatte die gerade noch „gütliche Scheidung“ von Langzeit-Partner Mercury eingereicht. Auch ein Zwischenhoch mit der 95er-Hit-Single “ Like Lovers Do“ konnte die bad vibes nach dem gleichnamigen Albumflop nicht wirklich zerstreuen, und so mancher Schuss ging ganz daneben.

Er habe, so seine Theorie, nach der erfolgreichen Abnabelung von den Commotions „zuviel Selbstvertrauen“ entwickelt „Ich dachte, ich könne wirklich alles“, lacht Cole retrospektiv. „Okay, nächstes Album mit Orchester und dann noch ein paar harte Rocker hintendran. Nur reichte der Atem meiner Möglichkeiten nicht so weit wie ich damals dachte.“ Zu spät die Erkenntnis, dass er „eben doch kein Scott Walker“ sei. Was den Rocker angeht, kann sich Cole heute im Song „Tried To Rock“ köstlich darüber amüsieren. Wie überhaupt viel gelassene Selbstironie durchschimmert bei einem Mann, der früher schon mal mürrisch oder hypernervös rüberkam. Dass die neue Band „The Negatives“ (mit Jill Sobule an der Gitarre) heißt, ist natürlich auch nur ein Witz. Cole: „Das Zusammenspiel ist relaxter, weil nicht unser ganzes Leben davon abhängt. Die Commotions waren großartig, aber wir hatten nie den Spaß, den wir hätten haben können. Nach den ersten Negatives-Gigs kamen mir weite Teile meiner Karriere jedenfalls recht bescheuert vor. Ich fragte mich: Warum musste ich 15 Jahre auf diesen Spaß warten?“ Gute Frage.

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