Endlich übersetzt: Im Erwachsenenmärchen „Fup“ vereint JIM DODGE die schönsten narrativen Traditionen

Bereits 1983 bescherte Jim Dodge einer nichts ahnenden, aber doch sogleich beeindruckten amerikanischen Leserschaft dieses ruhige, anrührende, zutiefst humanitäre und dabei sehr komische Erwachsenenmärchen, das nur die besten narrativen Traditionen vereint: das Archaische, Legendarische eines Sherwood Anderson, die Respektlosigkeit, den Rock’n’Roll-Grobianismus eines Hunter S. Thompson, die Skurrilität des alten humoristischen Erzählens angelsächsischer Provenienz, Laurences Sternes zumal, und die freundliche Milde und Surrealität Richard Brautigans.

Warum ausgerechnet so ein Buch fast 20 Jahre braucht, um ins Deutsche übersetzt zu werden, darf man getrost als eine weitere Merkwürdigkeit im hiesigen Verlagsgeschäft beklagen, aber je nun, was hilft es? Und jetzt ist „Fup“ (Rogner & Bernhard bei 2001) ja da, von Harry Rowohlt charmant übersetzt.

Die Geschichte lebt von ihren drei außergewöhnlichen Charakteren. Da ist zunächst einmal der ebenso kauzige wie weise und trotz seines hohen Alters immer noch ziemlich hitzige Granddaddy Jake, einst ein kartenspielender Glücksritter und Frauenheld, der sich im Alter zu einem wahren Künsder im Destillieren des Unsterblichkeit verheißenden OY Death Whisper-Whiskeys entwickelt hat. Mit seinem täglichen 0,6-Liter-Quantum hält er sich und sein Leben so ziemlich im Gleichgewicht Das allerdings wird empfindlich gestört, als man ihn wegen Steuerhinterziehung drankriegen will – „natürlich hat einer wie er Zeit seines Lebens nichts dergleichen gezahlt“. Dann ertrinkt auch noch seine Tochter, und er muss um die Adoption seines Enkels Tiny kämpfen, denn wegen der Steuerschulden und seines hohen Alters erscheint er den Behörden nicht sehr vertrauenerweckend. Aber Jake löst das Problem auf seine Weise, „packte einen Koffer mit Kleidung zum Wechseln und neun Krügen Ol‘ Death Whisper und brach zum Kartenspielen auf. Die Zocker in den Spielzimmern der Nordküste sprechen immer noch im selben Ton davon, in dem sie von der ’41er Feuersbrunst sprechen: sein Alter und seine Wildheit waren einschüchternd, aber es war sein schlichtes, schlankes, kahles, gottgewolltes, ungepanschtes Scheißhaus-Glück, welches die Tische leer fegte. In drei Monaten gewann er $ 90000, und jedesmal, wenn er die Stadt verließ, schickte er einen Barscheck an die Kanzlei Gutt, Cutt 8i Freese in San Francisco, eine Gruppe schonungslos brillanter Anwälte, die sich auf Vformundschaftsrecht spezialisiert hatte…“

Kurzum, Tiny darf zu ihm auf die Ranch ziehen, wird größer und entwickelt eine verkable Passion, die Onkel Tbbys Spleen für Befestigungsanlagen im „Tristram Shandy“ abgekuckt zu sein scheint: Er baut Zäune! Und er hat einen Gegner, Lockjaw, das gerissene, perfide Wildschwein, das seine Gatter immer wieder niederreißt, möglicherweise weil in ihm ein indianischer Medizinmann mit einer gewissen Antipathie gegen derartige Umgrenzungen wiedergeboren wurde (jedenfalls vermutet das Jake). Bei den ständig anfallenden Reparaturarbeiten rettet Tiny einem Küken das Leben, das bald zu einer maßlos verfressenen, die normale Größe um das Vielfache übersteigenden Stockente heranwächst. Jake tauft sie „Fup Duck“, weil er das für ein schönes Wortspiel mit „fucked up“ hält.

Mit der Ente kommt, ironisch verwandelt, der „Falke“ der klassischen Novelle ins Spiel, das Leitsymbol, in dem sich das Thema des Buches verdinglicht. Fups nachgerade psychedelisches, ja mystisches Ende mit anschließender Wiederauferstehung tippt denn auch vieles von dem noch einmal an, was sich bis dahin ereignet hat, aber es bleibt da dennoch eine Leerstelle. Worum geht es hier eigentlich? Granddaddy Jake weiß eine Antwort: „Es ist einfach nicht möglich, manche Sachen zu erklären, vielleicht sogar die meisten Sachen nicht Es ist interessant, sie zu bestaunen und ein paar Vfermutungen anzustellen, aber die Hauptsache ist, dass man sie akzeptieren muss, sie als das nehmen, was sie sind, und weiter im Text.“ Jim Dodge hat sich das zu Herzen genommen.

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