Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Schade: Nur Musik.

"Regt euch ab Leute, ist doch nur Musik“: Ich kann gar nicht sagen, wie viel Mitleid die Ödnis dieser Haltung in mir auslöst.

Folge 127

Neulich entbrannte irgendwo in den sogenannten „sozialen Medien“ eine Diskussion über die neue Metallica-Platte. Das sei ja wohl jetzt ganz armselig, schrieb einer sinngemäß. Na ja, besser als manch andere Metallica-Platte der letzten zwei Jahrzehnte, meinte eine andere. Ein dritter fand, dass nun aber wirklich alles vorbei sei: erst Trump, dann die Bambi-Verleihung und jetzt das. Eine vierte Dame schickte einen ganzen Artikel hinterher, in dem die Platte von einem ausgesprochen formulierungsfrohen Journalisten auseinandergeschraubt wurde. Ein weiterer Artikel folgte. Bald war eine gar herrliche Debattiererei ausgebrochen, deren Intensität Menschen wohl verwundern musste, für die Metallica eher das pappige Ende der rockmusikalischen Salzstange darstellen, die für Freunde des harten Rockhandwerks aber sicher sinnstiftend war.

Metallica
Metallica

Und dann kam er. Irgendwann, nach viel leidenschaftlichem Hin und Her, betrat der stellvertretende Vorsitzende des Spielverderber-Vereins die Szenerie, zog unter lautem Tosen die Rolladen hoch und schrieb in die Runde: „Regt euch ab Leute, ist doch nur Musik.“

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„Nur Musik“: Ich kann gar nicht sagen, wie viel Mitleid die Ödnis dieser Haltung in mir auslöst. Mit knorrigen Fingern pocht da das Ordnungsamt des gesunden Menschenverstands an der Pforte der Leidenschaft. Musik ernstzunehmen, viel zu ernst zu nehmen, gehört zum Schönsten was man machen kann. „Nur Musik“, zwei Wörter, die – zumindest ernsthaft vorgetragen – so gar nichts miteinander anfangen können und die nur eins erreichen: nämlich auf ganz traurige Art zu verkleinern. Wer heute so denkt, der findet morgen schon, dass Sting beim Bambi eine „emotionale Laudatio“ für Udo Lindenberg gehalten hat und kauft am Ende noch Rea-Garvey-Alben. Oder gar keine Musik mehr. Was in diesem konkreten Fall womöglich die bessere Entscheidung wäre.

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Sting mit Udo Lindenberg

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Wenn Robert Wyatt irgendwo den Mund öffnet, um über Musik zu sprechen (zum öffentlichen Singen öffnet er ihn ja leider nicht mehr), ist das meist ausgesprochen lohnend. Umso erstaunter war ich, als ich neulich ein digitales Mixtape hörte, das er auf Bitten der Veranstalter des tollen Kölner Weekend-Festivals zusammengestellt hat, das in dieser Woche mal wieder in meiner Heimatstadt stattfinden wird. Worüber ich staunte? Nun, Wyatt gefiel es, gleich zu Anfang erst einmal die französische Sängerin Zaz zu spielen, die Gegenstand meiner letzten Kolumne war. Wer es nicht gelesen hat: Ich finde Zaz in etwa so faszinierend wie Rae Garveys Carport, anders als dieser begegnet mir die quirlige Chanteuse aber ständig im öffentlich-rechtlichen Radio.

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Wyatt nun sieht den Fall anders. Gerne hätte ich sein Zitat an dieser Stelle wiedergegeben, aber gerade läuft der Link leider nicht. Ich kann dennoch alle Leser nur ermutigen (Zaz hin oder her), sich Wyatts Auslassungen über seine Lieblingsmusik anzuhören.

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Gestern Abend hörte ich nach langer Zeit mal wieder „Jehovakill“, „Peggy Suicide“ und „Autogeddon“, drei der ganz und gar großartigen Neunziger-Platten von Julian Cope. Wann wird der eigentlich wiederentdeckt? Und von wem? Womöglich von mir? Könnte durchaus passieren. Es muss ja Sachen in 2017 geben, auf die man sich freuen kann: zum neuen Nikki-Lane-Album kommt nun also der große Julian-Cope-Wiederentdeckungsartikel hier im Pop-Tagebuch. Zumindest ich freue mich darauf. Vorher kommt aber noch der große Nikki-Sudden-Wiederentdeckungsartikel, um den mich neulich ein Leser nach einem Auftritt in München bat. Immerhin: Julian Cope lebt noch. Damit liefert er eigentlich alle Grundvoraussetzungen, um ihn auf dem nächsten Weekend-Fest in Köln mit sich selbst wiederzuvereinen. Sollte es dazu kommen, verkleide ich mich auch gerne als Druide.

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Wie ich soeben auf der Homepage des ROLLING STONE lese, ist Freddie Mercurys Mutter im Alter von 94 gestorben. Ich denke, spätestens jetzt muss man von einer Zeitenwende sprechen.

Victor Chavez Getty/WireImage
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