Eurovision Song Contest 2025: Analyse der Israel-Kontroverse und Reformen

Europäische Rundfunkunion reagiert auf Boykott-Drohungen mit neuen Abstimmungsregeln. Drei Länder sagen ab, Publikumsjury wird eingeschränkt. Die Hintergründe.

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In der alten Zeit versammelte man sich zum Grand Prix Eurovision de la Chanson im Herzen Europas. Der erste Wettbewerb fand 1956 in Lugano in der Schweiz statt – mit einer beschaulichen Anzahl von neun Kandidaten und Ländern. Die Europäische Rundfunkunion veranstaltete das Ereignis; man hörte brave Schlager und Chansons.

Seit 1992 heißt die Konkurrenz Eurovision Song Contest, und die Zahl der Bewerber ist auf mindestens 40 gestiegen. Weil im Finale 26 Künstler auftreten, gibt es seit einigen Jahren zwei Halbfinals. Gesetzt sind immer die fünf größten Geldgeber: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Sie versammeln die meisten Fernsehzuschauer.

Irgendwann kam Israel hinzu, das schöne Erfolge errang. Dann Russland, Rumänien, Belarus, die Ukraine, Estland, Litauen, Lettland, Aserbaidschan, Moldau, Zypern. Schließlich Australien, das nachweislich kein europäisches Land ist und nicht der Europäischen Rundfunkunion angehört. Anders als der Vatikan. In Australien gibt es aber ein großes Publikum für den ESC. Einmal übertrug sogar China die Show. Einmal kam Madonna als Gaststar. Die Welt hört zu, wenn der ESC stattfindet.

Erweiterung und globale Teilnahme

„United by Music“, lautet seit einigen Jahren das Motto. Nach dem Überfall auf die Ukraine wurde Russland von der Teilnahme ausgeschlossen. Unvergessen der Auftritt russischer Großmütterchen, die auf der Bühne Brot buken und Kleider mit einem Waschbrett und Zuber wuschen. Im Jahr 2022 gewann das Kalush Ensemble aus der Ukraine mit entfesselten Trommeln und irisierenden Flötentönen.

Im letzten Jahr, in Basel, gab es Demonstrationen gegen die Teilnahme von Israel, des Vorgehens in Gaza wegen. Yuval Raphael, die den Terroranschlag der Hamas überlebt hat, belegte schließlich den zweiten Platz mit einer dramatischen Ballade. Nun erhoben sich Proteste, weil die Israelis angeblich „strategisch“ die Publikumsjury instrumentalisierten: Zwar ist es nicht erlaubt, dass Zuschauer für das eigene Land stimmen, jedenfalls, wenn sie sich in diesem Land befinden. Aber kann man nicht auch aus den USA anrufen, eine SMS schicken, online abstimmen? Und das bis zu 20 Mal!

Die Europäische Rundfunkunion tagte gestern in Genf, nachdem einige Länder einen Boykott androhten für den Fall, dass Israel im nächsten Jahr in Österreich teilnehmen sollte. Man beschloss, dass ein Anrufer nur noch zehn Stimmen haben soll. Den nationalen Fach-Jurys soll im Halbfinale mehr Bedeutung eingeräumt werden, nachdem ihre Macht vor ein paar Jahren eingeschränkt wurde. Die Wertungen sollen „transparenter“ werden. „Twelve points“ reicht nicht mehr! Und „Kampagnen“ sollen reduziert werden. Das alles will die Europäische Rundfunkunion leisten.

Streit um Teilnahme und Regeln

Über die Teilnahme Israels wurde dem Vernehmen nach nicht abgestimmt. Spanien, die Niederlande und Irland sagten sofort ihr Engagement ab. Schweden zaudert.

Der ESC ist nur vordergründig ein Wettbewerb. Er ist die größte Show der Welt. Es gibt Menschen, die sich das ganze Jahr darauf freuen wie auf Weihnachten. Komponisten haben dem ESC ihr Wirken gewidmet. Künstler wurden beim ESC weltberühmt (und die meisten nicht).

Man ist nicht vereint durch Musik.

Keine Fähnchen mehr im Mett-Igel.